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Eindeutig Liebe - Roman

Eindeutig Liebe - Roman

Titel: Eindeutig Liebe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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hatte mir offensichtlich etwas verheimlichen wollen. Etwas, was ich wissen sollte. Und jetzt, während ihrer Abwesenheit, hatte ich endlich die Chance herauszufinden, was es war.
    »Also, was machen Sie am Wochenende? Irgendetwas Nettes?«, fragte ich, als das Wasser so heftig kochte, dass es den Wasserkocher auf der hölzernen Arbeitsplatte zittern ließ. Na, das war ja mal originell, dachte ich. Da hättest du auch gleich über das verdammte Wetter sprechen können.
    »Nicht viel, mein Junge.« Er lachte leise und hielt dann inne, beugte sich über die Tassen und hielt einige Sekunden lang den Atem an.
    Das machte mich nervös, also richtete ich mich auf und beobachtete ihn genau. Ich entdeckte mehrere große Behälter verschreibungspflichtiger Medikamente am Ende der Küchentheke.
    »Tja, Sie wissen ja«, fuhr er fort, »ich kann inzwischen nicht mehr besonders viel machen. Ich lese halt viel und versuche aus den Büchern so viel wie möglich über die Welt zu erfahren. Raus kann ich ja nicht mehr. Außerdem schreibe ich viel, in die schwarzen Notizbücher da. Ich schreibe darüber, wie es wohl sein muss zu leben – ich meine, richtig zu leben, verstehen Sie?«
    Mit Siennas Dad stimmte etwas nicht – und zwar ganz und gar nicht. Aber wieso hatte sie mir nie davon erzählt? Vielleicht hatte er Krebs, überlegte ich. Eine Welle der Traurigkeit überkam mich. Ich wollte hinauslaufen, sie finden und richtig festhalten, aber gleichzeitig wurde ich immer wütender darüber, dass sie mir all das verschwiegen hatte. Sie kann mir wohl doch nicht so nahe sein, wie ich es mir eingebildet habe, dachte ich. Plötzlich kam ich mir vor, als wäre ich ein Fremder, der in einer Welt herumschnüffelt, von der er nie etwas erfahren sollte. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, hierherzukommen.
    Das Klingeln eines Teelöffels in einer Tasse riss mich aus meiner Panikspirale.
    »Es tut mir leid, George, aber ich weiß nicht, was Sie mit ›inzwischen‹ meinen«, gestand ich leise. Ich konnte einfach nicht länger so tun, als wüsste ich über etwas Bescheid, was mir in Wirklichkeit ein Rätsel war – auch wenn es vielleicht meine Pflicht gewesen wäre, den Schein zu wahren.
    George verstummte und hörte auf zu rühren. Traurigkeit machte sich in seinem Gesicht breit, sodass er noch erschöpfter aussah.
    Ich stand auf und wollte zu ihm gehen. »Ich nehme das«, bot ich an und streckte die Hände aus, um ihm die Teetassen abzunehmen. Er drehte sich zu mir um – die beiden Tassen mit dem brühend heißen Tee in den schmalen Händen –, und plötzlich geschah das Schrecklichste, was man sich vorstellen kann.
    Wie in Zeitlupe versickerte das Leben in seinen Augen, und seine Beine gaben unter ihm nach wie Gebäude, die unter der Gewalt eines Erdbebens zusammenbrechen.
    Ich versuchte es, ich versuchte es wirklich, aber es war schon zu spät. Ich stürzte nach vorn, jeden Muskel in meinem Körper angespannt, um ihn aufzufangen, aber ich griff daneben. Ich griff daneben. Ich versagte.
    Die Teetassen flogen durch die Luft, und milchig braunes Wasser spritzte in alle Richtungen, dann zerbarst das Porzellan auf dem Boden in klitzekleine Splitter. Flüssigkeit, die wahnsinnig heiß sein musste, lief mir über das Gesicht, aber ich spürte keinen Schmerz.
    Mit ausdrucksloser Miene krachte George zu Boden. Ich hatte Angst, er könnte dabei in der Mitte durchbrechen. Der heiße Tee lief ihm über die Beine, aber er lag einfach reglos auf dem Linoleumboden. Stille senkte sich über den Raum. Scheiße. Scheiße!
    »Scheiße«, murmelte ich und begann am ganzen Körper zu zittern. Mein Frühstück kam mir wieder hoch, und plötzlich sah ich alles überscharf, roch alles überdeutlich. Es war, als erlebte ich alles in hochauflösendem Technicolor.
    Kämpfen oder abhauen, Nick. Kämpfen oder abhauen.
    Ich sank neben ihm auf den Boden. Meine Knie glitten durch die Teelachen, dann brachte ich ihn in die stabile Seitenlage. Dabei zitterte ich so sehr, dass ich befürchtete, ich könnte das Bewusstsein verlieren. Er musste einen Herzanfall erlitten haben. Du lieber Gott – was, wenn er tot war? Was sollte ich dann zu Sienna sagen, zu egal wem? Tut mir echt leid, Sienna, ich bin halt ein neugieriger Idiot, der einfach keinen Abstand halten kann. Also habe ich fünf Minuten mit deinem Vater verbracht und ihn dabei einfach dadurch getötet, dass ich in seiner Nähe war. So ein Scheißpech aber auch.
    Ich drückte die Finger in die weiche Haut an seinem

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