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Eine Ahnung vom Anfang

Titel: Eine Ahnung vom Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Gstrein
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Unwillkürlich fragte ich mich, bei welcher Tätigkeit er wohl gerade unterbrochen worden war, so beflissen, wie er sich gab. Ich hatte Inspektor Hule nie anders als ruhig und besonnen erlebt, aber in seiner abgetragenen Freizeitkleidung und seinen Turnschuhen strahlte er für mich jetzt eine nervöse Desorientiertheit aus, und womöglich kam es von daher, dass er fast etwas Fürsorgliches hatte, als er Daniel in Schutz nahm.
    »Ich habe gleich gedacht, dass er es nicht ist«, sagte er, kaum dass er uns begrüßt hatte. »Auf wessen Konto auch immer die beiden Bombendrohungen gehen, er ist nicht so blöd, sich selbst in die Luft zu sprengen.«
    Ich hatte noch keinen Gedanken daran verschwendet, ob es einen Zusammenhang gab oder nicht, und wunderte mich, wie schnell er seine Schlüsse zog.
    »Ich bin sicher, dass wir es mit einem ganz anderen Fall zu tun haben. Nur die größten Dummköpfe nehmen uns die Arbeit ab und räumen sich selbst aus dem Weg. Außerdem scheint der hier von Kinderspielen nicht viel zu halten. Offen gesagt, sieht mir das nicht so aus, als hätte einer ein bisschen mit Schießpulver oder seinem Chemiebaukasten aus der Schule herumexperimentiert. Der hier dürfte Zugang zu professionellem Sprengstoff gehabt haben. Anders kann ich mir die Verwüstung nicht erklären.«
    Er blickte hinüber zur Garage, und ich folgte seinem Blick.
    »Ohne Zweifel ein Unfall. Wenn es Absicht gewesen wäre, hätte er einen anderen Ort gewählt. Hat wahrscheinlich die Gefährlichkeit unterschätzt und nicht aufgepasst. Oft ist ein bisschen Hitze oder ein bisschen Reibung schon genug, dass einem alles um die Ohren fliegt.«
    Dass es eine ziemliche Wucht brauchte, um das schwere Metalltor halb aus den Angeln zu heben, konnte ich mir vorstellen. Ich hatte bis dahin noch gar nicht ins Innere der Garage geschaut, aber jetzt sah ich, dass die hintere Wand mit Elektrogeräten vollgestellt war, Diebesgut, wie man später in den Zeitungen lesen konnte. Es waren vor allem Waschmaschinen und Fernseher, manche noch in ihren Kartons, übereinandergestapelt und in erstaunlicher Ordnung, wenn man die Unordnung im Vordergrund betrachtete. Dort erkannte ich in dem Haufen von Plastik-, Metall- und Holzteilen sowie in dem Gewirr von Kabeln und Steckern die Überreste von Musikinstrumenten, ein oder zwei Gitarren, ein Schlagzeug, ein Saxophon, vielleicht auch eine Violine. Es schien, als hätte eine Band die Garage als Proberaum genützt, aber als ich sagte, es wäre schon merkwürdig, wenn der Bombenbauer einer von den Musikern gewesen wäre, lachte der Inspektor nur.
    »Sie sind hoffentlich nicht einer von den Romantikern, die glauben, nur weil einer ein bisschen auf einem Instrument herumklimpert, käme er für das Böse in der Welt nicht mehr in Frage«, sagte er spöttisch. »Außerdem ist der ganze Kram vielleicht allein zur Tarnung da. Wenn es einer von den Musikern gewesen sein sollte, scheint mir das nur ein weiteres Indiz, dass wir es nicht mit dem zu tun haben, der für die beiden Drohungen verantwortlich ist. Ich würde jede Wette eingehen, dass der nicht in einer Band spielt.«
    Er war wieder in seinem Element und analysierte und spekulierte wild vor sich hin, und als ich ihn fragte, was ihn darauf bringe, sagte er, es sei nur so ein Gefühl, aber ein Gefühl, das ihn nicht trüge.
    »Wer auch immer dahintersteckt, für mich kommt er aus der Stille, und Musik wäre schon viel zuviel Leben für ihn.«
    Damit wandte er sich mir mit einem Ruck zu.
    »Sie wissen, ich glaube nicht, dass es Ihr ehemaliger Schüler ist, aber einmal angenommen, er wäre es«, sagte er und genoss ganz offensichtlich die Erinnerung, dass er die Wendung mir gegenüber schon einmal gebraucht hatte. »Würden Sie sagen, Musik ist von Bedeutung für ihn?«
    Ich hatte tatsächlich sofort an Daniel gedacht und wie wenig er sich daraus machte, wollte den Inspektor in seinem Schwadronieren aber nicht bekräftigen.
    »Er ist jung«, sagte ich deshalb ausweichend, und als wäre das zur Not eine Erklärung für alles. »Wie sollte Musik da nicht von Bedeutung für ihn sein?«
    Ich wusste, wie wenig überzeugend das klingen musste, und war froh, dass er nicht weiter darauf einging. Es hätte seiner Eitelkeit sicher geschmeichelt, wenn ich ihm erzählt hätte, wie Daniel einmal gesagt hatte, ihm reiche der Tumult der Gefühle beim Lesen, wo er sich Ursache und Wirkung erklären könne, er brauche nicht auch noch das Unerklärliche der Musik, aber ich wollte ihm

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