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Eine Ahnung vom Anfang

Titel: Eine Ahnung vom Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Gstrein
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vielleicht einen dreiviertel mal einen halben Meter, aber so angebracht, wie in den Städten die Hausbesetzer ihre Fahnen und Transparente anbringen. Ich dachte mir dennoch nicht viel dabei, wurde aber später wieder daran erinnert, weil es im Fortgang der Ermittlungen eine Rolle spielen sollte. Der Hintergrund war, dass die Besitzer nicht an Türken vermieten wollten und dass der Hof deswegen so lange leer stand, obwohl in dieser Gegend jede Bruchbude früher oder später ihren Käufer oder Mieter fand und es rundum tatsächlich kaum etwas gab, das nicht in türkischer Hand war.
    Die Leute auf der Straße, die alle in eine Richtung eilten, wiesen uns den Weg. Wir mussten noch einmal drei- oder vierhundert Meter weiter dorfauswärts zurücklegen, und das Haus dort hatte es vor zehn Jahren noch gar nicht gegeben. Es war eines dieser Einfamilienhäuser, wie sie bei uns immer noch an den unmöglichsten Stellen in die Landschaft gesetzt wurden, mit zwei oder drei Fremdenzimmern, verzierten Holzbalkonen, Halbgardinen und einer Garage, die von außen fast so groß wirkte wie der ganze Wohnbereich, Häuser, die unverändert für ein Leben gebaut wurden, aber manchmal schon nach wenigen Jahren zu haben waren, weil nichts mehr ging und entweder das Geld fehlte oder die Liebe oder beides zusammen und in der Regel als einziges nur noch eine fürchterliche Geschichte von noch einem Mann und noch einer Frau blieb, deren Details man sich besser gar nicht erst anhörte. Mit dem Rücken stand es unmittelbar vor einer fast senkrecht aufragenden Felswand, mit einem Durchgang von nur wenigen Metern Breite dazwischen, was einen fröstelnd denken ließ, dass es früher sicher in den Berg hineingetrieben worden wäre. Dass es außerhalb des Ortsschildes lag, machte faktisch natürlich nichts aus, schlug aber vielleicht doch auf das Gemüt, wenn man tagtäglich das Schild passieren musste, um nach Hause zu gelangen, und außerdem auf einem weiteren Schild auch noch »Auf Wiedersehen« nachgerufen bekam. In den Wintermonaten hatte es nur ein paar Wochen lang Sonne, und etwas von der Kälte strahlte es auch jetzt aus, mit seinen penibel verputzten und geweißten Wänden, seiner Satellitenschüssel, den Bullaugen links und rechts von der Eingangstür und dem schwarzen Immergrün der rundum gepflanzten, kaum mannshohen Tannen.
    Wir hatten das Auto stehenlassen und waren sofort in Laufschritt verfallen, kamen aber nicht weit, weil uns ein Polizist in den Weg trat. Es gab noch keine Absperrung, nur mitten auf der Straße diesen Uniformierten, der sich redlich bemühte, grimmig zu erscheinen, und niemanden vorbeiließ. Ich beschwor ihn, und als er wissen wollte, ob ich ein Angehöriger sei, sagte ich, ein ehemaliger Lehrer, und merkte, wie er aufhorchte, bevor ich selbst über die Festlegung erschrak. Schnell korrigierte ich mich, dass ich das natürlich nicht wissen könne, aber er sah mich nur um so verwunderter an. Dann berief ich mich auf Inspektor Hule, und das brachte ihn schließlich dazu, zum Telefon zu greifen und nachzufragen. Er trat ein paar Schritte beiseite, und ich konnte nicht hören, was er sprach, aber als er zurückkam, nickte er mir zu.
    »Bleiben Sie hier«, sagte er. »Es kommt jemand für Sie.«
    Es war dann nicht der Inspektor, wie ich es erwartet hatte, sondern Dorothea. Ich hätte sie nicht erkannt, weil ich sie bei meinem Besuch in der Polizeiwache nur als Schemen gesehen hatte, wusste jedoch, dass sie es sein musste, so wie sie auf mich zutrat und mich in den Blick nahm. Sie war eine kleine, erstaunlich zierliche Frau, an der beim Näherkommen die Ausrüstungsgegenstände wild hin und her baumelten, was ihrem ganzen Auftritt etwas Energisches verlieh. Sie blieb breitbeinig vor mir stehen, beide Hände mit den Handballen auf ihr tief sitzendes Koppel gestützt, und gab sich überrascht.
    »Das geht aber ganz schön fix bei Ihnen«, sagte sie, und in ihrer Stimme schien ein Rest von gewohnheitsmäßigem Spott mitzuschwingen. »Wie haben Sie es so schnell erfahren?«
    Ich setzte zu einer Erklärung an, doch sie winkte ab.
    »Das dürfen Sie mir alles später erzählen, wenn wir mehr Zeit haben. Jetzt kommen Sie erst einmal mit. Vielleicht können Sie uns bei der Identifizierung helfen.«
    Ich kam gar nicht auf die Idee, mich zu fragen, ob das ganz nach Vorschrift war, während sie ihren Blick schon auf Agata richtete, die halb hinter mir stand.
    »Ihre Freundin?«
    Ein Nicken genügte, und wir waren durch, und ich

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