Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
Johannes hatte seinen Arm um meine Schultern gelegt. Ich führte ihn durch die weiße Dunkelheit.
Bald roch ich das klare Wasser von Asmodeos See.
Der Dunst blieb hinter uns zurück, als wir ans Ufer traten. Die Lichter des Dorfes funkelten im Wasser, die Silhouette des Schlosses zeichnete sich leicht verzerrt im Mondlicht ab.
Wir waren allein.
Asmodeo war nicht da.
Johannes blickte sich um. „Hier triffst du dich immer mit Asmodeo? Ich hatte mir einen völlig anderen Ort vorgestellt.“
„Hier ist sein Zuhause. Genau wie ich dich immer in deinem Kaminzimmer finde.“
„Aber heute scheint er nicht anwesend zu sein“, stellte Johannes das Offensichtliche fest.
„Nein“, antwortete ich. „Er scheint gerade nicht zu schlafen.“
Leiser Zweifel regte sich in mir und undefinierbare Bedenken kamen mir in den Kopf.
Doch ich ignorierte sie.
14
Ein letztes Mal blickte ich zu Asmodeos See. Dann nahm ich Johannes an der Hand und wir wandten uns dem Nebel zu.
„Wir werden bis morgen früh warten müssen“, sagte ich. „Ich werde Asmodeo gleich nach dem Aufstehen anrufen. Dann wissen wir vielleicht bis zur Beerdigung Näheres.“
„Die Beerdigung…“ Johannes Gesicht verschattete sich.
Ich legte meine Hand um seine Hüfte und lehnte mich an ihn. „Keine Angst, um nichts in der Welt werden wir dich mit dieser schwierigen Aufgabe alleine lassen.“
Johannes trat einen Schritt zurück, um mir in die Augen zu blicken. „Du musst mir aber versprechen, Lilith, dass du und Asmodeo, …dass ihr mich mitnehmt, wenn ihr loszieht, um Sina zu befreien. Ich habe mit diesen feinen Herren von der Studentenverbindung meine ganz persönliche Rechnung zu begleichen. Und darauf möchte ich um nichts in der Welt verzichten.“
„ Persönlich – so hat es Asmodeo auch genannt“, merkte ich an. „Und im gleichen Atemzug hat er hinzugefügt, dass auch du dich nicht davon wirst abhalten lassen, zu handeln . Ihr beide werdet euch immer ähnlicher.“
„Das macht mein schlechter Einfluss“, sagte Johannes leichthin und grinste dabei, doch in seinen Augen glomm ein dunkles Feuer.
Als uns der Nebel einfing, überlegte ich mir, ob er mit dieser Feststellung nicht Recht haben könnte.
15
Pfeilgerade flog der Rabe durch die Luft. Er hielt seine Schwingen weit geöffnet und beschrieb einen rasend schnellen Bogen.
Er passierte einen höher gelegenen Hubschrauberlandeplatz. Die Forschungsanlage mit ihren zahlreichen Gebäuden, eingeschlossen hinter hohen Zäunen aus Stacheldraht, lag vor ihm. Er bremste seinen Schwung und landete geschmeidig auf einem der Fensterbretter des Hauptgebäudes, um hineinzuspähen.
Von seiner Position aus hatte er einen guten Überblick über das Herzstück des Komplexes. Die hermetisch nach außen abgeriegelte Werkhalle, die sich unter ihm erstreckte, schien keine Ende zu nehmen. Unzählige Laser reihten sich in einer bestimmten Anordnung aneinander. Sie zerschnitten das Halbdunkel mit blendend weißen Strahlen. Die Strahlen wiederum bildeten geometrische Muster, bevor sie sich in einer Unmenge von Diamanten bündelten, um sich zu einem einzigen, grellen Lichtstrang zu vereinigen. Zahllose weitere Diamanten lenkten die Laserlanze in eine Kreisbahn, die sich schrittweise selbst verstärkte, bis ein gleißender Lichtring entstand, in dessen Zentrum dunkle Materie aufwallte.
Mehrere Wissenschaftler in weißen Kitteln verfolgten die Versuchsreihe. Mit ihren schwarzglänzenden Sichtschutzbrillen glichen sie überdimensionalen Insekten.
Der Rabe studierte genauestens jede ihrer Bewegungen. Er fühlte in die Halle hinein. Er konnte lediglich den Hauch des Bösen erahnen, der von dem emsigen Treiben nahezu überdeckt wurde. Doch allein diese vergängliche Nuance verriet ihm ihren Ursprung, ihre einzigartige Beschaffenheit. Es war das erste Mal seit Jahrtausenden, dass der Rabe ihr wieder begegnete und doch war sie ihm immer noch absolut vertraut.
Eine Art von Warnsignal ertönte. Die Forscher begaben sich hinter eine Trennwand aus massivem Panzerglas. Auf einem Computerbildschirm lief ein Countdown. Als die Null aufleuchtete, verstärkte sich die Energie der Laserstrahlen. Das Licht im Kreis wandelte sich zu Blitzen, die Helligkeit wurde so stark, dass die Farben aufhörten zu existieren. Alles wurde weiß, grell, unerträglich. Das Dunkel im Zentrum des Lichtringes hingegen begann in intensiven Rottönen zu glühen. Es glich einem bösartig schwelenden Tumor, der nur darauf
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