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Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)

Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)

Titel: Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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Lautsprechern übertragen und hunderte Menschen, die innen keinen Platz mehr gefunden hatten, lauschten still, während sie im Schatten alter Bäume, oder aber durch schwarze Regenschirme vor der Sonne geschützt, neben den Gräbern standen.
    Der letzte Ton der Gitarre verebbte. Fast greifbare Stille breitete sich aus.
    Ein trotz seines Alters noch drahtiger Mann trat vor den Altar. Sein unscheinbarer Anzug aus schwarzem Tuch war hochgeschlossen und wurde von einem weißen Kragen begrenzt. Seine junggebliebenen Augen straften die tiefen Linien in seinem Gesicht und seine weißen Haare Lügen.
    Er benutzte kein Mikrophon. Trotzdem erfüllte seine wohlklingende Stimme jeden Winkel des Gotteshauses.
    Er sprach langsam und bedächtig. Er schilderte uns die Jugend der Verstorbenen in Spanien. Er ließ vor unseren Augen die sonnendurchglühte Stadt am Meer entstehen, in der Johannes Mutter Ana aufgewachsen war. Wir lernten eine lebensbejahende junge Frau kennen, die Margeriten über alles geliebt hatte und wir erfuhren von ihrem gemeinsamen Leben mit Paul Hohenberg, der ihr zuliebe seine aktive Rolle in der Firma an seinen ältesten Sohn Clement abgegeben hatte.
    Als der Priester kurz innehielt, eilte mein Blick von ihm zu Johannes und die Familienähnlichkeit war mit einem Mal unübersehbar. Johannes hatte mir von seinem Onkel, einem Abt, erzählt, der ihn dazu gebracht hatte, seine Entscheidung, in den Dienst der Kirche zu treten, noch einmal in aller Ruhe zu überdenken. Dieser Geistliche hielt die Totenrede.
    Die Augen des Abtes suchten nach Johannes und er sprach mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen weiter:
    „Ana und mein Bruder Paul waren sich sehr nah. Sie waren sich selbst genug. Für dich, mein lieber Johannes, war dies keine einfache Zeit. Dir fehlte gleichsam die Orientierung. Deshalb hast du auch verschiedene Wege in deinem Leben eingeschlagen - darunter waren sicherlich auch einige Irrwege.
    Als ich dich aber heute nach langer Zeit wieder traf, stand ein gereifter junger Mann vor mir, der sehr genau weiß, was er will und was er erreichen kann.“
    Die Aussage des Abtes brachte mich dazu, mich Johannes kurz zuzuwenden. Er hielt Augenkontakt zu seinem Onkel - sein Ausdruck war mild. Bei dieser Gelegenheit konnte ich die Reaktion beobachten, die die Worte des Geistlichen bei Clement auslösten. Clement hatte bislang eine für diese Situation passende Trauermiene aufgesetzt. Jetzt konnte er sich nicht mehr zurückhalten und warf seinem jüngeren Bruder einen Blick zu, der nichts Gutes verhieß. Doch schnell war sie wieder da, seine perfekt gespielte Maske, die seine wahren Gefühle wirkungsvoll blockte.
    Währenddessen sprach der Abt weiter.
    „Lieber Johannes, deine Mutter Ana, die nicht nur dein Vater sondern auch ich über alle Maßen geschätzt haben, wäre unendlich stolz, wenn sie dich, ihren terroncito de azúcar – wie sie dich immer genannt hat, jetzt sehen könnte. Quien sabe ? - und wer weiß, vielleicht kann sie das.“
    Der Abt legte eine kleine Pause ein, er schien zu überlegen. Sein Blick schweifte über die Trauergemeinde und blieb an mir haften. Seine Stimme wurde noch einfühlsamer und ich hatte den seltsamen Eindruck, als wären die nächsten Worte nur für mich bestimmt.
    „Wir alle kommen im Laufe unserer Existenz mindestens einmal an einen Wendepunkt, der unser weiteres Leben und das unserer Lieben bestimmt. Wir sehen uns gezwungen, eine Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung zwischen dem vermeintlich einfachen Weg, mit dem uns das Böse in Versuchung führt, und dem schweren, oftmals schmerzhaften Weg, den wir trotz aller Wirren und Ablenkungen klar und deutlich vor uns liegen sehen. Das ist der Weg des Guten, der bedeutet,  das Richtige zu tun.
    Ana und Paul haben sich füreinander entschieden. Ana hat dafür ihr geliebtes Spanien geopfert und Paul die Leitung seines Imperiums. Sie haben ohne Rücksicht auf die Konsequenzen gewählt, das Richtige zu tun. Ihr gemeinsames Leben ist gelungen. Das kann ihnen keiner nehmen.“
    Der Abt verstummte und brach seinen Blickkontakt zu mir ab. Er senkte seinen Kopf.
    Der Gitarrenspieler übersetzte seine Worte in Töne und unsere Gefühle und Gedanken vermischten sich mit Anas Abschiedslied.
    Die Zeit für Anas letzten Gang war gekommen. Johannes wirkte unnahbar und seltsam hölzern, während sein Vater mühsam mit seiner Fassung rang. Clement blickte distanziert auf seine Fingernägel, seine Verlobte überlegte sich vermutlich, wo sie

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