Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
den nächsten Cocktail herbekommen würde und Klara schien sich in anderen Sphären aufzuhalten. Ihr Blick war entrückt, begriff nichts von dem Geschehen.
Wir standen auf und folgten hinter Johannes und seiner Familie dem Sarg durch ein schwarzes Meer von Menschen, das sich vor uns wie vor einem Schiffsbug öffnete. Am Ende unseres Weges wartete ein eckiges Loch in der Erde, das einmal ein Grab werden würde.
Als der Sarg hinabgelassen wurde, stützte der Abt gemeinsam mit Johannes dessen Vater, der schwankte und sich öfters mit den Händen das Gesicht bedeckte, während seine Schultern zitterten.
Als Erster warf Paul Hohenberg eine weiße Margerite in das kühle Erdreich hinein. Johannes, Clement und seine Schwester folgten. Dann trat ich gemeinsam mit Asmodeo vor und blickte in die dunkle Ruhestätte der Frau, die Johannes geboren hatte.
Auf dem mahagonifarbigen Sarg war ein goldenes, reich verziertes Kreuz angebracht.
Ich versuchte meine Hand zu öffnen, um die einzelne Margerite in die Dunkelheit fallen zu lassen, doch meine Finger waren steif und weigerten sich, mir zu gehorchen. Das Bild eines anderen Grabes tauchte vor meinem inneren Auge auf. Schemenhaft und undeutlich. Ich wusste nicht, wer in diesem anderen Grab liegen würde. Ich wusste nur, dass ich dessen Tod zu verantworten hätte. Ein tiefes Brummen dröhnte durch meine Gedanken. Alles um mich herum schien zu beben. Ein blutrotes Auge, gigantisch groß, starrte mich an. Ich hörte das Echo eines einzelnen Schusses. Trotz der Hitze spürte ich eine gnadenlose Kälte und Leere in mir. Ich hatte meine Pflicht getan, aber das verloren, was ich am meisten liebte.
Asmodeos Stimme drang zu mir durch.
„Lilith“, sagte er. „Ich helfe dir.“ Mir war der Sinn seiner Worte nicht gleich bewusst. Ich löste meinen Blick vom offenen Grab und sah zu ihm auf. „Ich werde dir helfen“, wiederholte Asmodeo. „Ich werde immer für dich da sein.“
Er nahm die Blume aus meiner kalten Umklammerung und warf sie zusammen mit seiner eigenen hinunter. Dann legte er seinen Arm um meine Schulter und drehte mich vom Grab weg.
Vor uns stand der Abt. Von Nahem wirkte er wesentlich kleiner und viel zerbrechlicher als Johannes.
„Ihre Rede hat mich tief beeindruckt“, sagte ich leise. „Sie hat mich sehr nachdenklich gemacht.“
„Danke“, antwortete der Abt. „Sie müssen Frau Stolzen sein.“
Ich nickte.
„Johannes hat mir viel von Ihnen erzählt“, meinte er, dann wandte er sich Asmodeo zu. „Und Sie?“
Asmodeo nahm seine Brille ab, faltete sie bedächtig zusammen und steckte sie in seine Jackentasche. Seine Augen leuchteten durchdringend, als er den Abt ansah. „Ich bin Graf di Borgese.“
„Ich weiß“, meinte der Abt.
Er hob seine rechte Hand und malte vor Asmodeo ein kleines Kreuz in die Luft.
„Gott segne dich, mein Sohn“, sprach er.
17
Der Leichenschmaus fand in einem ehemaligen kurfürstlichen Jagdschloss statt. Es war in einen sanften Abhang hineingebaut und hatte einen verwilderten Burggraben, der längst kein Wasser mehr führte. Das Gebäude war mit der Straße über eine einladende Brücke aus Stein verbunden.
Asmodeos Chauffeur hatte uns bei dem Parkplatz vor den ehemaligen Ställen aussteigen lassen und wir waren die letzten fünfzig Meter zu Fuß gegangen. Die zweiflügelige, rund geschwungene Eingangstür stand weit offen und wir gelangten in einen schattigen Raum, dessen steinerne Decke von zahlreichen gotischen Bögen gehalten wurde. Nur noch die wichtigsten Gäste waren zu diesem Abschiedsessen geladen, trotzdem war der stattliche Saal voller Menschen.
Ich erblickte Clement, er stand etwas abseits an einem der aufgestellten Bistrotische und war in ein intensives Gespräch mit einem großen schlanken Mann vertieft. Es handelte sich um Dr. Cunningham. Sie unterhielten sich leise und dezent, fast ohne jede Körpersprache. Dennoch gewann ich den Eindruck, dass sie sehr vertraut miteinander umgingen und ihre Diskussion problembehaftet zu sein schien.
Clements Gegenüber spürte meine Augen in seinem Rücken. Er drehte sich abrupt um und suchte sekundenlang, von wem er beobachtet worden war. Als er mich unter den Gästen ausgemacht hatte, grüßte er mich höflich, wie er es bereits auf dem Friedhof getan hatte. Seine Miene verriet nichts.
Johannes löste sich aus der Unterhaltung mit seinem Vater, stieg ein paar der Treppenstufen empor, die in den ersten Stock führten und wandte sich an die Menge. Er bedankte
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