Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
ins Gesicht und musste bei ihren Worten an das denken, was ich von ihr wusste. Ich hatte ihren qualvollen Tod im Kopf. Gundula merkte, dass mich etwas bedrückte. Ihr wurde sichtlich unwohl.
„Wir müssen uns beeilen, damit wir heimkommen, bevor das Stadttor geschlossen wird. Lilith, Ihr werdet gehen wollen.“
„Nein“, sagte ich. „Ich kann Euch jetzt nicht alleine lassen. Erst sorge ich dafür, dass Cecilia gut nach Hause kommt. Und entweder kann ich Euch dann in der Stadt verlassen, oder ich muss bis zum nächsten Morgen warten und gehe mit dem Frühnebel.“ Entschlossen griff ich nach dem kleinen Mädchen und nahm es Huckepack. Gundula sammelte die Körbe ein.
Cecilia war nicht sonderlich schwer. Wir kamen gut voran und als wir schweigend zum Stadttor gelangten, war es noch offen. Wir warteten hinter einigen Gespannen, bis sie passieren durften und schritten dann selbst hindurch.
In Gundulas Haus legten wir Cecilia auf die Pritsche und deckten sie gut zu. Gundula gab ihr einige Löffel eines Getreidebreis mit Rüben, den das Mädchen gehorsam kaute und hinunterschluckte. Bald fielen ihr die Augen zu und sie schlief mit einem kleinen Lächeln auf ihrem Gesicht ein.
Gundula blieb unbeweglich am Bett sitzen, bis sie sicher war, dass ihre Tochter schlief. Dann stand sie auf, nahm mich bei der Hand und wir setzten uns auf zwei Schemel am anderen Ende des Raumes, möglichst weit weg von dem Kind.
„Ihr habt heute das Leben meiner Tochter gerettet. Was verlangt Ihr dafür?“, fragte sie ernst. Mir wurde bewusst, dass sie diese Frage allem Anschein nach sehr beschäftigt und belastet hatte.
„Gundula, ich mag Eure Tochter. Ich mag sie sehr. Und ich wäre für jedes Kind ins Wasser gesprungen. Ihr wisst, ich kann schwimmen und tauchen. Das war für mich keine besondere Leistung. Das war selbstverständlich. Ihr seid mir dafür nichts schuldig.“
Gundula ergriff meine Hände, drehte die Innenflächen nach oben und sah hinein. Ich wusste, dass sie meine Handlinien las. Mit ihrem Daumen verfolgte sie sanft meine Lebenslinie und meinte: „Was seid Ihr nur für ein seltsamer Dämon. Ihr helft Menschen, anstatt sie ins Unglück zu stürzen.“
Ich lächelte sie an. „Genauso gut könnte ich zu Euch sagen: Was seid Ihr für eine seltsame Hexe, dass Ihr andere Menschen heilt, anstatt sie krank zu machen. “
In dem Moment, in dem ich diesen Satz ausgesprochen hatte, verkrampfte sich Gundulas gesamter Körper. Sie schien in sich zusammenzusinken und ihr Gesicht wurde aschfahl. „Sagt das nicht. Ich bin kein guter Mensch. Ihr habt keine Ahnung, was ich gemacht habe, was ich habe machen müssen, nachdem…, nachdem ich alleine war.“ Gundula schluckte schwer. „Er hatte mich anderen Hexen vorgestellt. Hexen, die sich der schwarzen Magie verschrieben hatten. Als er weg war, zwangen sie mich… ich musste mit ihnen gemeinsam… sie hätten mich sonst als Hexe verraten und mein ungeborenes Kind…. Ich weiß nicht, wie ich das Leid, für das ich verantwortlich bin, jemals wiedergutmachen kann. Aber ich bemühe mich mit meiner ganzen Kraft darum, das könnt Ihr mir glauben.“
„Ihr hattet keine Wahl, Gundula“, versuchte ich, sie zu trösten.
„Doch, ich hätte eine Wahl gehabt. Ich hätte mich und mein ungeborenes Kind umbringen können. Doch dazu fehlte mir die Kraft. Lieber habe ich andere…“, erneut musste sie pausieren, sichtlich hin- und hergerissen von ihren heftigen Gefühlen und Erinnerungen. „Aber das Allerschlimmste ist, dass mich das, was ich damals zusammen mit den anderen Hexen gemacht habe, …dass mich all das Böse unglaublich stark angezogen hat. Ich konnte und wollte mich überhaupt nicht entziehen. So sehr mich die Taten entsetzten, so sehr genoss ich sie auch.“ Die letzten Sätze sprach Gundula sehr leise, dass ich mich weit nach vorne beugen musste, um sie zu hören. Unsere Gesichter berührten sich fast.
Wir schwiegen und lauschten den regelmäßigen Atemzügen des kleinen Mädchens. Ich dachte an mein eigenes Erlebnis vor ein paar Tagen in der kleinen Bucht am Meer, als ich die Druidinnen gesehen hatte. Und ich dachte an meinen Traum zurück, in dem ich und Asmodeo dem fremden Dämon eine Falle gestellt hatten. Beide Male hatte mich das Böse nahezu unwiderstehlich fasziniert und auch jetzt spürte ich, wie es sich bei dem bloßen Gedanken an diese beiden Vorkommnisse in mir regte – fast wie eine Giftschlange, die mit erhobenem Kopf nur darauf lauerte, blitzschnell
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