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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mehr sieht. Oder sie kommt mit einem Verband um den Arm und erzählt dir, sie habe sich da verbrannt oder sonstwas.«
    »Wenn Monika nicht kommt, fahre ich hin!« sagte Mahlert gequält. »Ich spreche mit ihren Eltern …«
    »Das Ende kannst du dir denken!« Roßkauf hielt Mahlert fest. »Du wirst sie zum letztenmal gesehen haben. Barrenberg ist der Typ Vater, der sofort die Notbremse zieht. Und die heißt: Entziehungsanstalt nach einem vorangegangenen Hagel von Ohrfeigen. Wir wissen noch nicht, wie tief deine Monika bereits in der Szene steckt. Wenn sie erst angefangen hat, ist jeder Zwang ihr sicherer Untergang.«
    Mahlert telefonierte dreimal mit Barrenbergs. Zweimal war Maria am Apparat und teilte mit, daß Monika bei einer ihrer Freundinnen sei, um für das Abitur zu arbeiten. Beim drittenmal nahm Eduard Barrenberg selbst ab und sagte mit dröhnender Stimme:
    »Ja, ich weiß! Sie sind Holger! Angehender Chemiker. Schweres Studium, sehr schwer. Sie müssen ja starke Geruchsnerven haben. Immer der Gestank! Erinnere mich da an meine Schulzeit. Chlorwasserstoff! Bestialisch! Als wenn ein Bataillon auf Kommando furzt! Haha! Monika, nein, die ist nicht da! Büffelt Mathe bei einer Freundin. Mathe ist ihr Rubikon! Dafür spielt sie sehr gut auf der Viola da Gamba, aber das ist kein Abiturfach. Haha! Soll ich Monika etwas bestellen? Was hielten Sie davon, Herr Mahlert, wenn Sie mal zu uns kämen? Zu einem Plausch?! Würde mich sehr freuen. Ich diskutiere gern mit vernünftigen jungen Männern über unsere beschissene Politik …«
    Mahlert legte nach zehn Minuten auf und sagte: »Uff!«
    Roßkauf lächelte. »Was habe ich dir prophezeit?«
    »Dieser Barrenberg erdrückt einen mit seiner Persönlichkeit.«
    »So kann man es auch nennen. Was ist mit Monika?«
    »Büffelt Mathe bei einer Freundin.«
    »Warten wir ab, ob sie sich meldet.«
    Monika meldete sich drei Tage lang nicht. Aber das hatte mit dem nur schwach entwickelten Hämatom nichts zu tun, sondern mit ihrer wilden Jagd nach neuem H. Was sie von Makaroff bekommen hatte, war verbraucht. Dreimal hatte sie sich bei kleinen Dealern an der Hauptwache, einmal auch in einem Park neuen Stoff gekauft, für 40 Mark pro Schuß, und dann noch gemischtes H, in die Länge gezogen durch Puderzucker. Dann war ihr Erspartes aufgebraucht, und sie ließ sich von ihrem Vater 100 Mark geben, indem sie ihm vorlog, sie müsse für geometrische Zeichnungen noch ein paar Geräte kaufen.
    Jeden Tag nach Schulschluß stand sie lange vor der Anstalt und wartete auf Makaroff. Aber er kam nicht. Nach einer intensiven Klage- und Anklage-Arie ihres Vaters hatte sie sich ein neues Mofa gekauft, braun lackiert, kein Vergleich zu dem gestohlenen Moped, aber Barrenberg überzeugte sie, daß die Investition in ein neues Moped sich nicht auszahlen würde, da Monika nach bestandenem Abitur sowieso mit ihrem Wunschauto rechnen könne. Es war, wie immer, sinnlos, gegen Eduard Barrenberg zu argumentieren.
    So stand Monika drei Trage lang bis zwei Uhr nachmittags vor der Schule, erschien einmal auch eine halbe Stunde früher und wartete. Als der dritte Tag begann, geriet sie in eine kaum noch beherrschbare Panik. Ihre Augen nahmen einen gehetzten Ausdruck, ein unruhiges Flimmern an.
    Die große Frage aller Drücker kam auf sie zu: Was wird, wenn ich die neuen Schüsse nicht mehr aus eigener Tasche bezahlen kann? Wer finanziert mir das H? Was kann ich verkaufen, um Geld zu bekommen? Fällt es auf, wenn ich Vater aus seiner Tasche einen Fünfzigmarkschein stehle? Aber auch das läßt sich nicht endlos fortführen. Und womit bezahle ich die nächsten Nadeln? Nicht morgen oder übermorgen, sondern in zwei Wochen, zwei Monaten – wenn alle Möglichkeiten von Verkauf und Diebstahl ausgeschöpft sein werden?
    Womit bezahle ich …
    Am Abend des dritten Tages – sie hatte nur ein Viertel Halbes noch in Reserve – machte sich Monika auf, um bei den alten Fachleuten Rat zu holen. Sie setzte sich an der Hauptwache auf die Stufen zur U-Bahn mitten unter die anderen Fixer. Ein neuer, fremder Vogel, der voll Angst ein Nest sucht.
    Das Mißtrauen unter den Außenseitern der Gesellschaft ist groß. Man kennt sich genau bis in die hintersten Winkel der kaputten Seelen, man hat zuviel miteinander erlebt, von der zitternden Gier nach einem Schuß bis zur maßlosen Seligkeit nach einem guten, sauberen Druck. Es sind immer die gleichen Typen, die sich irgendwo in dieser Stadt treffen, immer auf der Jagd nach Geld für

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