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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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neue Dope, immer bereit, sich voll zu opfern für ein paar Stunden trügerischer Leichtigkeit des Lebens. Ob an der Hauptwache oder in den verschiedenen städtischen Anlagen und Parks, ob in bestimmten Diskotheken oder auf Plätzen und an Straßenecken, in der Bahnhofshalle oder in U-Bahn-Toiletten – überall trifft man Bekannte und immer wieder ein paar Neue, die von alten Fixern in die Szene eingeführt werden.
    Denen fällt es natürlich auf, wenn ein junges Mädchen auf einer U-Bahn-Treppe sitzt und verstört um sich blickt. Es dauerte nicht lange, bis Monika Gesellschaft bekam. Ein dürres, blasses Mädchen mit langen schwarzen Haaren, in abgeschabten Jeans mit einem viel zu weiten Pullover, hockte sich neben sie und betrachtete sie mit offener Neugier. Ihre tiefliegenden, geweiteten Augen glänzten wie Glaskugeln.
    »Was ist?« fragte Monika, da das Mädchen sie nicht ansprach, sondern nur stumm musterte.
    »Das frage ich dich!« Ihre Stimme war kindlich hell. »Ich heiße Bibi. Natürlich ist das nicht mein Name, aber alle nennen mich nur Bibi. Kommt von Brigitte.«
    »Ich bin Monika.«
    »So einfach Monika?«
    »Von mir aus kannst du auch Moni sagen.«
    »Was willste denn hier?«
    »Was will ich wohl?«
    »Anschaffen …«
    »So ähnlich.«
    »Bist ganz neu hier, was?«
    »Ja.«
    »Wo kommste denn her?«
    »Ist das so wichtig?«
    »Von mir aus nicht. Aber die anderen.« Bibi beugte sich zu Monika hinüber. »Die haben mich vorgeschickt, um dich auszunehmen. Wenn so jemand allein hier auftaucht, ist er zunächst verdächtig. Wenn du von der Kripo bist – mir kannste nichts anhängen. War schon dreimal in einem Mädchenheim und bin dreimal getürmt. Scheiße, sage ich dir. Hunderttausend Worte, fromme Ermahnungen, stumpfsinnige Arbeit, kein Mann im Bett, und dann binden die dich fest, wennste durchdrehst und ganz tierisch auf Turkey kommst. Und ewig das Gequatsche: Da mußte durch, Zähne zusammenbeißen, das ist nur Willenssache, in ein paar Tagen hast du's geschafft, dann hat sich der Körper umgestellt … Alles nur blödes Gestammel. Da hilft nur eins: raus aus dem Kasten und wieder an die Nadel.« Bibi starrte Monika erwartungsvoll an. »So, jetzt weißte alles. Wennste nun von der Kripo bist, kannste mich mitnehmen. Dann mach' ich zum viertenmal 'ne Fliege. Das wissen deine Kollegen von der Fürsorge schon, die sind froh, wenn sie mich nicht mehr sehen. Außerdem hab' ich einen festen Wohnsitz!«
    »Sehe ich aus wie eine von der Kripo?« fragte Monika erschrocken. »Bibi, ich brauche in zwei Stunden einen Druck, darum sitze ich hier! Eine gute Dope, kein gemischtes Zeug!«
    »Haste genug Geld?«
    »Noch …«
    »Was machste, wenn du kein Geld mehr hast?« Bibi lehnte sich zurück an die gekachelte Mauer.
    »Das weiß ich noch nicht. Hast du Geld?«
    »Nie!« Bibi lachte etwas exaltiert. »Am Tag brauche ich für dreihundert Mark H. Manchmal auch für vierhundert, wenn's mir ganz mies geht. Und das ohne Unterbrechung. Das sind bei 31 Tagen im Monat glatte neuntausenddreihundert Mark.«
    »Das ist ja Wahnsinn!«
    »Sagst du!« Bibi schlang die Arme um die angezogenen Beine. Sie sah aus wie eine verkrümmte, zerbrochene Puppe. »Ich muß mir mehr drücken als ein Direktor im Monat Gehalt kriegt. Da muß ich mich ranhalten, Moni!«
    »Und wie bekommst du das Geld?!«
    »Das bumse ich mir ehrlich zusammen.« Sie sagte es mit völliger Gleichgültigkeit, ohne die Stimme zu heben oder ihre verkrümmte Haltung zu ändern. »Das kennste noch nicht, was?«
    »Nein.«
    »Willste mitkommen?«
    »Wohin?«
    »Auf den Baby-Strich! Da ist vielleicht was los, sag' ich dir! Da kriegste dein Generaldirektorgehalt spielend zusammen! Mit dicken Wagen kreisen die alten Knacker herum, und je jünger du bist, um so mehr lassen sie springen. Ich sage immer, ich sei fünfzehn.«
    »Und wie alt bist du wirklich?«
    »Gerade siebzehn. Und du?«
    »Achtzehn.«
    »Auch noch zu machen. Du kannst dich auf sechzehn trimmen. Zöpfchen flechten und die Lippen vorwölben … da sind die Kerle scharf wie Rasiermesser.« Bibi blickte hoch. Ihr blasses Kindergesicht verzog sich zu einem Lächeln. »Bei den ersten Knackern habe ich hinterher gekotzt, so richtig gekotzt, weißt du. Was die alles verlangten für ihre Papierlappen! Aber dann gewöhnste dich daran, Moni. Später ist dir alles egal, machste alles mit, denkst nur: Der muß dafür einen Blauen hinlegen, und der geile Alte, der jeden Freitag an der Taunus-Anlage wartet mit seinem

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