Eine angesehene Familie
Barrenberg, der sich brav im Hintergrund hielt und Bettina lediglich am Eingang mit einem korrekten Handkuß begrüßt hatte, und George Petrescu, der meist in einer Ecke saß, in einem Korbsessel, eingerahmt von zwei künstlichen Palmen.
Petrescus Beschäftigung bestand darin, Barrenberg aus der Distanz zu beobachten. Da Eduard seinen Gegner nicht kannte, flanierte er ein paarmal ahnungslos an ihm vorbei, während Petrescu mit dem verlockenden Gedanken spielte, man müsse eine jener lautlosen Spezialpistolen haben, mit denen man nadeldünne vergiftete Pfeile abschießt, die nach und nach die Atmung lähmen und unaufhaltsam den Tod herbeiführen.
In der Nacht nach der Ausstellung – Barrenberg hatte widerwillig nach Hause fahren müssen, ohne daß es noch zu einem intimen Stündchen gelangt hatte, denn Bettina hatte die Feier bewußt bis in die Morgenstunden ausgedehnt – sagte Petrescu:
»Wenn es nicht bittere Wahrheit wäre, meine Rose, könnte man sich schieflachen. Barrenberg! Was ist an diesem Mann eigentlich dran? Er tapst wie ein Bär herum, eine Schönheit ist er bestimmt nicht, er versprüht weder Geist noch Charme. Er hat Geld – das ist alles!«
»Sein Geld interessiert mich nicht.«
Bettina saß in einem durchsichtigen Negligé aus cremefarbener französischer Spitze im Sessel, die Beine hochgezogen, ein Glas Sherry auf dem Knie balancierend, und blickte auf Petrescu – halb ängstlich, halb traurig. Petrescu lag nackt auf der Couch, in einer provozierenden Haltung, die für Bettina keinen sinnlichen Reiz hatte, sondern nur ihre Abwehrinstinkte mobilisierte.
»Nicht sein Geld?« Petrescu schüttelte den Kopf. »Da haben wir wieder das alte Problem, das große Rätsel bei den Frauen: Warum haben die miesesten Männer die schönsten Weiber?«
»Das frage dich mal vor einem Spiegel.«
»Ich weiß es!« Petrescu räkelte sich wohlig, seine Bewegungen hatten eine nachgerade tierische Unbefangenheit. »Ich habe eine der schönsten Frauen fest und für immer in meiner Hand, weil ich eine Mörderin schütze.«
»Es war kein Mord!« sagte Bettina dumpf. »Es war eine Dummheit, eine Panik, ein Schock …«
»Wer will damit entschuldigen, daß dadurch drei Menschen starben?« Petrescu wedelte mit den Händen. »Kein Gericht nimmt das ab.«
»Es war ein Unfall …«
»Zuerst ja. Ein ganz normaler Autounfall. Eine Bettina Ahrendsen biegt von der Auffahrt in die Autobahn ein, ohne in den Rückspiegel zu blicken. Sie sieht nicht, wie sich ein schwerer Wagen nähert. Sie jagt im spitzen Winkel auf die Autobahn. Der so geschnittene Fahrer erkennt die Gefahr, reißt seinen Wagen zur Seite, aber der Zwischenraum reicht nicht. Mit voller Wucht prallt er gegen die Leitplanke, wird zurückgeschleudert und rast führerlos, weil die Insassen schon betäubt sind, quer über die Fahrbahn, über die Standspur und einen Rasenstreifen in einen Wald. Dort, zwischen den Bäumen, überschlägt er sich und zerschellt an einer dicken Kiefer. Ein ganz dummer Unfall … Es ist Sonntag nacht, die Autobahn ist auf dieser Strecke kaum befahren, niemand sieht das Drama, und niemand sieht auch den zertrümmerten Wagen seitlich im Wald zwischen den Bäumen. Die später kommenden Autos jagen an der Stelle vorbei. Wer blickt nachts schon um sich in einen dunklen Wald? Bettina Ahrendsen aber, die genau gesehen hat, was passiert ist, fährt mit Vollgas weiter. Zufällig kommt ein George Petrescu auf der Gegenfahrbahn vorbei, erkennt, was sich da abspielt, wendet an einer kleinen Baustelle auf der Autobahn – was auch strafbar ist, zugegeben – und verfolgt die flüchtige Fahrerin. Nach vierzehn Kilometern holt er sie ein und zwingt sie zum Halten. Aber er bringt sie nicht zur Polizei, wie er es erst als seine Pflicht angesehen hatte. Der Anblick dieser Bettina trifft ihn wie ein Blitz. Sie ist eine Frau, die nicht hinter Gefängnismauern verkümmern darf. – Erst vier Stunden später findet man den zertrümmerten Wagen und die drei Toten. Eine Obduktion ergibt, daß alle drei hätten gerettet werden können, wenn sie sofort in ein Krankenhaus eingeliefert worden wären … Sie sind innerhalb von vier Stunden verblutet!« Petrescu richtete sich auf. »Im übertragenen Sinne war das Mord. Dreifacher Mord! Dafür gibt es keine Entschuldigung.«
»Ein Irrtum. Ich habe einen Anwalt gefragt. Man kann auf Körperverletzung mit Todesfolge plädieren.«
»Dreifach! Wieviel Jahre Eingeschlossensein bedeutet das?« Petrescu setzte sich und
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