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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf den Zehen, oder sie stand herum und lutschte an einem Stückchen Holz, was den Eindruck des Infantilen noch verstärkte.
    »Da kommt einer«, sagte sie plötzlich. Ein großer dunkelroter Jaguar bog ein und kam langsam auf sie zu. Monikas Herz begann wild zu hämmern, ihre Kehle krampfte sich zusammen. Ich würde das nie können, dachte sie. Nie! Nie! So tief wird mich das H nicht reißen können, daß ich so etwas tue … »Das ist ein Stammgast!« Bibi spielte mit ihrem rechten Zopf, als sei er eine Puppe. »Dagobert von Ehrungen heißt er. Verrückt, was? Ein richtiger Baron! Über Sechzig. Mit Glatze. Na, du siehst ihn ja gleich. Zahlt zwei Blaue, weil ich gerade fünfzehn bin! Und wenn er in Fahrt kommt, schreit er immer ›Amalia! Amalia!‹ Weiß der Teufel, wer Amalia ist! Aber wenn er das gebrüllt hat, ist er immer ganz glücklich und ich muß ihm die Glatze ablecken. Verrückt, was? Aber er blättert im voraus zwei Blaue hin …«
    Der rote Jaguar hielt. Ein Herr mit einer karierten englischen Sportmütze musterte Monika. Er war elegant gekleidet, ein rüstiger alter Herr, der seine Kondition durch Golfspiel pflegte. Man sah ihm an, daß er sich viel in frischer Luft bewegte.
    »Hier bin ich, Bertchen!« sagte Bibi und schob sich vor Monika. »Fahren wir wieder in den Biegwald? Trotz gestiegener Unkosten und Inflation noch der alte Preis für Stammkunden.«
    »Wer ist das da?« fragte der Baron.
    »Meine Freundin Moni.«
    Der Baron winkte. »Steig ein, Moni!«
    Monika blieb wie erstarrt stehen. Er ist älter als Papa, durchfuhr es sie. Er sieht fast so aus wie der Bankier Hähnischen, von dem Papa sagt, er behandele seine Gicht mit der animalischen Wärme von zwei jungen Mädchen. Ich habe mich bei dem Gedanken geschüttelt, und jetzt stehe ich hier auf dem Baby-Strich und erlebe selbst, wie das ist, wenn ein alter Kerl sich ein junges Mädchen kauft.
    »Da läuft nichts!« sagte Bibi kalt. »Moni hat heute die rote Fahne gehißt.«
    »Was hat sie?« fragte der Baron irritiert.
    »Stell dich nicht so dämlich an, Bertchen.« Bibi riß die Beifahrertür auf. »Moni kann ja mitfahren und zugucken. Mal was Neues, was? Kostet 'nen halben Blauen mehr.« Sie winkte, zeigte auf die hintere Tür des Jaguar und stieg ein. Der Baron musterte Monika noch immer mit klebrigem Interesse.
    »Wir werden uns noch kennenlernen«, sagte er und lächelte sie mit verblühtem Charme an. »Du bist genau das, was ich suche.«
    Im Biegwald auf einem abseits gelegenen Weg verdiente sich Bibi in dem dunklen Auto ihre zweihundertfünfzig Mark. Monika saß wie gelähmt daneben, mußte sehen und hören, was ihr den Ekel in die Mundhöhle trieb, und preßte beide Hände gegen die Ohren, als der Baron wirklich »Amalia! Amalia!« schrie. Es war entsetzlich.
    Sie blieb stumm, bis der Baron sie wieder an den Bockenheimer Anlagen absetzte, und machte sich steif, als Dagobert von Ehrungen ihr zum Abschied über die Brust streichelte. Dann ließ sie sich fast aus dem Wagen fallen und rettete sich auf den Gehsteig.
    »Ich könnte mich nie daran gewöhnen, Bibi«, sagte Monika mit heiserer Stimme.
    »Und wovon willst du die Nadeln bezahlen?« Bibi raschelte mit dem Geld in ihrer Jeanstasche. »Ich habe heute genug eingenommen für zwei Tage. Morgen ruh' ich mich aus und lege mich in die Badewanne. Nie dran gewöhnen! Du bist gut! Wovon soll ich überleben?«
    »Ich werde alles verkaufen, was ich habe.«
    »Und eines Tages haste gar nichts mehr – außer dir selbst!«
    »Dann höre ich eben rechtzeitig auf.«
    »Bekloppt! Goldener Schuß, was?«
    »Nein. Überhaupt mit der Dope.«
    »Das schaffste nie, Moni, nie! Versuch's erst gar nicht, du gehst die Wände senkrecht hoch! Ich kenne das ja! Wir sind beide zu tief drin, da holt uns keiner mehr raus! Wir krepieren langsam, aber wir genießen das.«
    »Genauso hat Freddy gesprochen.«
    »Wer ist Freddy?« Bibi starrte Monika entgeistert an. »Freddy the Tiger? Sag bloß, du kennst Freddy the Tiger!«
    »Er war mein Freund. Er ist tot.«
    »Du dickes Ei!« Bibi wischte sich über das bleiche Kindergesicht. »Dann bist du das ja! Dann bist du die Monika, die von den Bullen gesucht wird! Mensch, Moni, keiner von uns hat eine Ahnung, wer diese Monika ist! Die Bullen sind ganz scharf auf dich.«
    »Wenn du mich nicht verrätst …« In Monika war eine Kälte, die jedes Gefühl erstarren ließ. Sie suchen mich, war ihr einziger Gedanke. Sie haben eine Spur. Sie werden es mir nie glauben, daß es

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