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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schlüpfer bekleidet, mit kleinen, spitzen Brüsten über hervorstehenden Rippen, starrte sie an, als sei Monika von einem anderen Stern gefallen.
    »Halt!« sagte sie und streckte den Arm aus wie eine Schranke. »Wohin?«
    »Zu Freddy!«
    »Kripo?«
    »Nein.«
    »Sitte?«
    »Ich muß Freddy sprechen.«
    »Warum?«
    »Das geht dich einen Dreck an.«
    »Du fliegst gleich die Treppe 'runter, du blöde Votze!« Das barbusige Mädchen verzog den Mund zu einem blöden Grinsen. »Freddy pennt!«
    »Das weiß ich! Ich werde ihn wecken.«
    »Das möcht' ich sehen! Der wird nicht mal wach, wennste auf ihm reitest!« Das Mädchen lachte schrill und nickte nach links. »Durch den Flur und dritte Tür rechts. Und laß den Song drin.«
    »Was soll ich?«
    »Du sollst nicht bei ihm jodeln, du dumme Kuh! Mich macht das heute morgen nervös! Hab die ganze Nacht angeschafft und mich anblasen lassen. Warum läufste dem nach? Kennste Freddy aus der Disko?«
    »Nein. Ich kenn' ihn schon länger.«
    »Hat er mir nie erzählt. Biste etwa aus 'nem feinen Haus?«
    »Nicht ganz …«
    »Verbrenn dir bloß nicht den Arsch!« Das Mädchen kratzte sich unter der linken Brust. »Neugierige lernen bei uns Fliegen, verstehste? Hier liegste falsch, und wenn's der Freddy noch so gut kann!«
    Dritte Tür rechts … Monika brach das Gespräch ab und ging den Flur entlang. Das Mädchen blickte ihr nach, leckte sich über die vollen Lippen und kratzte sich die Gesäßfalte.
    »Scheißhure!« sagte sie laut. »Du hast auch nichts anderes als wir …«
    Vor der dritten Tür rechts blieb Monika stehen und klopfte. Sie wartete, aber Freddy meldete sich nicht. Das Mädchen an der Treppe lachte schallend.
    »Sie klopft!« schrie sie durch den Flur. »Du blödes Loch, geh doch rein! Klopft sie doch tatsächlich an die Tür! Ich werd' verrückt! Suchen Sie eine Klingel, Mademoiselle? Haben wir abgeschafft. Wir treten gegen die Türen!«
    Monika drückte die verrostete Klinke hinunter und trat ein. Die Kahlheit des großen Zimmers, diese Leere, diese Trostlosigkeit erdrückte sie. Sie blieb an der Tür stehen und zuckte zusammen, als sie hinter ihr knirschend ins Schloß fiel.
    Freddy lag auf seiner Matratze neben dem Fenster und schlief. Zwei leere Bierdosen standen neben seinem Kopf. Er lag mit bloßem Oberkörper da, hatte nur einen dunkelroten Slip an, die Decke war weggestrampelt, das rechte Bein weit nach oben gezogen, der Rücken gekrümmt. Auf einer Kiste – Jaffa Orangen, Fruits of Israel – lagen eine Plastikspritze mit aufgesteckter Injektionsnadel, ein Gummiband, eine flache Porzellanschale, an den Rändern abgeschlagen, und ein breiter Blechlöffel.
    Das Werkzeug zum Öffnen des achten Himmels!
    Monika ging mit staksigen Schritten durch das Zimmer und riß das Fenster auf. Im Raum lag schwer und muffig ein Dunst von Alkohol und nasser Kleidung. Es hatte in der vergangenen Nacht geregnet; sie erinnerte sich, das Prasseln aufs Dach gehört zu haben. Freddy mußte durch diesen Regen gelaufen sein; sein Anzug hing wie ein Scheuerlappen an einem großen Nagel an der Wand, auf dem Boden trocknete eine Pfütze.
    Monika streckte den Kopf aus dem Fenster und atmete tief durch. Dann wandte sie sich Freddy zu. Sie hockte sich neben die Matratze, rüttelte ihn an den Schultern und kniff ihm die Nase zu. Das einzige, was sie erreichte, war ein tiefes Grunzen.
    »Wach auf!« sagte sie laut. »Freddy, wach auf!«
    Er streckte die Beine und wälzte sich auf den Rücken. Ein Schauer lief durch seinen Körper; er reagierte, ohne aufzuwachen, auf die kalte Luft, die ins Zimmer strömte. Es war klar, daß man Freddy mit Schütteln und Rufen nicht wachkriegen würde. Monika überlegte, während Freddy die Beine wieder anzog, etwas knurrte und die Arme anwinkelte, als wolle er zu einem Dauerlauf ansetzen. Ihr Blick fiel auf die Spritze. Mit spitzen Fingern nahm sie den Kunststoffkolben, schnupperte an der Nadelspitze, aber sie konnte keinen Geruch wahrnehmen.
    »Freddy!« sagte sie noch einmal laut. »Wach auf!«
    Er grunzte wieder und blähte im Schlaf die Backen. Da stieß sie, wie sie es beim Roten Kreuz geübt und auch untereinander praktiziert hatten, die Nadel tief in Freddys Oberschenkelmuskel.
    Mit einem Schrei zuckte der Junge hoch, starrte verstört und noch jenseits dieser Welt, schlug dann die Arme um sich und ließ sich im Sitzen nach hinten an die Wand fallen. So gestützt, erkannte er endlich Monika, die gerade die Spritze zurück auf die Apfelsinenkiste

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