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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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los?«
    »Ich habe Angst, wenn ich an alles denke, was noch kommt!«
    »Deine Finger zittern, damit kannst du doch nicht drücken!« Freddy rutschte zu der Apfelsinenkiste, nahm das Gummiband, streifte es Monika über den linken Arm und zog es fest. Dann setzte er die Nadel an die Vene und blickte Monika fragend an. »Und wennste umfällst?«
    »Ich fall' nicht um.«
    Er stieß die Nadel ein, schräg nach oben, gekonnt, wie ein alter Arzt, und drückte das Gift in die Blutbahn. Dann zog er sie zurück und preßte seinen Daumen auf den Einstich. »Spürste schon was?« fragte er.
    »Noch nicht.« Sie erwiderte seinen forschenden Blick mit flatternden Augen. »Was passiert denn jetzt?«
    »Entweder machste jetzt einen Wüsten an, oder du pennst. Weiß ich, wie du reagierst?«
    Monika reagierte extrem. Sie hatte nach vier Minuten das Gefühl, als hebe sie sich von der Erde ab. Die Beine wurden wie Watte, der Gaumen trocknete aus, ein wohliges Wärmegefühl durchströmte ihren Körper von den Zehen bis unters Kopfhaar. Freddys Zimmer veredelte sich: Die abgerissenen Tapeten wirkten wie Blumengirlanden, die bröckelnde Decke schien wie eine Wolke zu sein, die Dielen wogten, als wären sie ein Meer. Selbst Freddy veränderte sich: aus seinem langen Haar wuchsen Blüten, und er bestand nur aus Kopf – ein Kopf ohne Körper … ein Kopf wie ein blumenübersäter Stern, der unter dem Himmel schwebt und ihr zusingt …
    Sie breitete die Arme aus, lachte glücklich und fiel dann nach vorne um. Freddy fing sie auf, legte sie auf die Matratze, drückte ihr die Lider hoch und kontrollierte die Pupillen. Dann stand er auf, ging nebenan in die Wohngemeinschaft IV und klopfte gegen die Wand. Eine junge Frau, die auf einem Propangaskocher eine Paketsuppe kochte – Nudelsuppe mit Huhneinlage – drehte sich mürrisch um.
    »Du hast doch 'ne Blockflöte«, sagte Freddy. »Leih sie mir mal.«
    »Wozu?«
    »Als Massagestab, du Arsch! Ich brauch' sie eben. Will was spielen. Was aus Indien. Hab' eben Besuch …«
    Die junge Frau ging zu einem Regal, holte eine gedrungene braune Blockflöte unter Wäschestücken hervor und warf sie Freddy zu. »Aber wiederbringen!«
    »Ich freß' sie nicht!«
    Er ging zurück in sein Zimmer, hockte sich neben die schlafende Monika und strich ihr mit einer tastenden Zärtlichkeit das Haar aus dem Gesicht. Der Schuß hatte ihn voll angeleiert, wie er es ausdrücken würde. Er kam sich stark, zufrieden, ungemein tatenhungrig vor. Dann begann er zu spielen – eine langgezogene, klagende, die Weite von Himmel und Erde besingende Hirtenweise aus Bengalen, ein Lied von der Winzigkeit des Menschen gegenüber den Göttern, eine Anfrage an die Ewigkeit mit der Demut des Ausgelieferten.
    Monika lächelte im Schlaf, als könne sie die Töne der Flöte hören.
    Der Eingang zur Hölle ist nicht immer ein Flammentor. Es kann auch ein Blütenbogen sein.
    Freitag, der 19.
    Ich habe mein altes Tagebuch abgeschlossen und fange hiermit ein neues an.
    Nichts ist mehr so wie früher, nichts wie gestern. Die Welt hat sich verändert. Die Menschen, das Haus, die Stadt, alle sind geblieben, aber sie haben ein anderes Gesicht bekommen, ein anderes Wesen, eine andere Bedeutung, eine andere Perspektive.
    Es war fürchterlich, dieses erste Mal. Nach den Wolken kam der Sturz zur Erde. Nach der Musik folgte das Schreien. Freddy sagt, ich hätte fünf Stunden fest geschlafen. Als ich aufwachte, war mein Kopf ein einziger Schmerz. Ich bin aus Freddys Zimmer einfach weggelaufen, bin auf mein Moped, und als Freddy mich mit Gewalt zurückhalten wollte, habe ich ihn geschlagen. Ja, ich habe ihn geschlagen, so lange, bis er mich losließ. Dann bin ich weg, aber ich weiß nicht mehr, wie ich nach Hause gekommen bin. Irgendwie ist es gelaufen, kein Unfall, kein Polizist. Ganz klar wurde ich erst, als ich bei uns im Garten stand und das Moped in die Garage schob.
    Natürlich war niemand zu Hause. Nur das Hausmädchen, sie war im Wirtschaftsraum und bügelte. Ich hörte Erna singen, und es tat mir weh. Es dröhnte in meinem Kopf, und wenn die hohen Töne kamen, war's wie eine Sirene.
    Durch die Gartentür bin ich ins Haus und sofort ins Bett. So elend war mir noch nie. Aber so schön war es auch nie, wie vorher, als das Zeug zu wirken begann und bevor ich umfiel. Man kann dieses Gefühl nicht beschreiben. Wie Freddy sagte: Alles ist einem egal. Man spürt nur sich selbst. Man ist glücklich.
    Ich weiß genau, daß das nur das Gift ist, dieses

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