Eine angesehene Familie
dir: Jeden Schlag zahlt er zehnfach zurück!«
Sie weinte, bedeckte die Augen mit beiden Händen und stand in ihrer zermarterten Nacktheit da, als sei sie von der Folterbank gekommen. »Ich – ich habe nichts gesagt, bis – bis es unerträglich wurde. Ich konnte die Schmerzen nicht mehr aushalten.« Ihre Stimme erstickte in Schluchzen. »Es – es war zuviel. Erst da habe ich es gesagt … deinen Namen …«
»Und wie heißt dieses Saustück?! Betty, warum schützt du ihn?! Dieser Schuft gehört hinter Gitter! Du läßt dich grün und blau schlagen und unternimmst nichts?! Warum?«
»Frag nicht!« Sie weinte weiter, zog ihren Bademantel an und kauerte sich auf die Couch.
»Liebst du ihn denn?«
»Ich hasse ihn! Hasse, hasse ihn! Er soll tausend Tode sterben!«
»Na bitte. Dann nenn den Namen! Ein Tod genügt vollkommen.«
»Das ist es ja!« sagte sie leise. »Du machst dich unglücklich damit! Und er ist stärker als du!«
»Das bleibt abzuwarten!«
Mit Bettina war über dieses Thema nicht zu reden, aber Barrenberg ließ nicht locker. Jeden Abend saß er in ihrer Wohnung, ein Klotz, der nur noch mäßig trank und kaum etwas aß. Er wartete. In der Tasche trug er eine entsicherte Pistole, von der Bettina keine Ahnung hatte. Zu Maria hatte er gesagt, seine Reise nach Florenz mache es notwendig, vorzuarbeiten und Terminsachen vorher zu erledigen. Es könne in den nächsten Tagen spät werden. Maria nahm es hin ohne Argwohn, sie kannte das. Vor allen Reisen, vor allem vor einem Urlaub, arbeitete Eduard wie ein Berserker, um während seiner Abwesenheit keinen Leerlauf in der Firma zu haben. Zu Freunden sagte Maria: »Das hält er nicht lange durch! Einmal klappt er zusammen. Aber man kann ihm das nicht sagen! Gleich schimpft er los …«
An den Abenden, die er jetzt bei Bettina wartete, rührte er sie nicht an. Der Gedanke, daß er seinem Gegenspieler nackt gegenübertreten müßte, schockierte ihn. Es gab nichts Lächerlicheres. Nach unterbrochenem Beischlaf mit einer Pistole in der Hand … So hockte er auf der Couch, sah fern, ließ sich von einer schweigsamen Bettina bedienen und legte ab und zu die Finger um den Griff der Pistole.
»Ein Feigling ist er auch noch!« sagte er am Ende des dritten Abends. »Warum kommt er nicht?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Bettina. »Vielleicht ist er verreist?«
Aber George Petrescu kam doch. Wenn er wußte, daß Barrenberg wieder bei seiner Familie war, in der Nacht, erschien er in Bettinas Wohnung mit der Unbefangenheit des Hausherrn. Er zog seinen seidenen Hausmantel an, trank einen Gin Tonic und küßte Bettina, die bei seiner Berührung erstarrte.
»Wird es ihm nicht langweilig?« fragte er spöttisch. »Sitzt da wie der Kater vor einem Mauseloch. Glaubt er wirklich, ich suche die Konfrontation mit ihm?! Ein altmodischer Mensch ist er! Und so etwas liebst du?«
»Er ist nicht feige wie du!«
»Ein Idiot ist er. Ich vernichte ihn mit anderen Waffen als mit den Fäusten! Ein Faustschlag hinterläßt nur einen blauen Fleck. Das genügt mir nicht; ich will ihn zerbrechen!«
»Das gelingt dir nie! Ein Mann wie Barrenberg gibt erst auf, wenn er unter der Erde liegt.«
Petrescu legte sich gemütlich auf die Couch. Er war zu guter Stimmung, um Bettinas Antworten übelzunehmen. Morgen ist Dienstag, dachte er. Morgen treffe ich sie wieder …
Sie wußte, daß es ein großer Fehler war, aber sie beging ihn doch. Nicht, weil der Mann Petro Makaroff einen besonderen Eindruck auf sie gemacht hatte oder gar verschüttete Sehnsüchte weckte. Es war einfach Neugier, war eine Unterbrechung des langweiligen Alltags, mit dem sie ganz allein fertig werden mußte. Eduard Barrenberg stand mitten in den Vorbereitungen für seine Tagung in Florenz, eine Besprechung jagte die andere, bis spät in den Abend hinein, und wenn er dann nach Hause kam, müde, wie zerschlagen, mit traurigen Hundeaugen, saß er nur noch auf der Couch, starrte auf den Bildschirm, aß dabei sein Abendbrot, trank zwei Gläser Wein oder auch Kognak und trollte sich ins Bett. Dort streckte er sich schnaufend aus, sagte vielleicht noch: »Junge, war das wieder ein verrückter Tag!« und schlief sofort ein.
Für seine Frau und seine Tochter hatte er kaum ein Wort oder einen Blick übrig, und er tat sehr gequält, wenn Maria ihm etwas vom Tage berichten wollte.
»Bitte, Liebes«, sagte er dann und verzog sein Gesicht, »verschone mich mit deinen Staubtuchproblemen! Ich habe andere Sorgen! Zu Hause will ich
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