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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mich ausruhen und nicht hören, daß Frau Willnars Pudel wieder vor unsere Haustür geschissen hat.«
    So war Eduard. Maria hatte sich daran gewöhnt. Aber so erklärt sich auch, daß Barrenberg vieles nicht erfuhr, was hinter seinem Rücken und außerhalb seines Interessenbereiches geschah. So auch kaum etwas über die Sonaten- und Tanzabende bei Marias Freundin Ljuba Antonowna Rolle oder die kleine Bridgerunde bei Frau Generaldirektor Dr. Humpertz – natürlich war Humpertz Doktor und Generaldirektor und nicht sie, aber sie liebte diese Anrede –, bei der Frau Humpertz immer wieder betonte: »Ich weiß, daß mein Mann mich betrügt. Zur Zeit mit der Auslandskorrespondentin der Abteilung Export-Ostasien. Aber was soll's? Dafür muß er mir ein Leben finanzieren, um das mich sogar die Gracia Patricia beneiden würde!«
    Maria konnte da nicht mithalten. Sie hatte keinen Geliebten, keinen heimlichen Freund, nicht mal ein gut gehütetes Geheimnis. Sie war im Grunde einsam in ihrer Villa zwischen den schweren Möbeln, einsam in ihren Modellkleidern und Pelzen, einsam unter ihrem Schmuck. Auch Monika begann nun, zurückhaltender zu werden. Sie kam nur zu den Mahlzeiten aus ihrem Zimmer, und sehr oft ging sie zu einer Freundin.
    »Das Abitur, Mama!« sagte sie und lächelte etwas bemüht. »Du ahnst gar nicht, was das für eine Büffelei ist! Das ist ein Leistungszwang, der haut dich um! Wenn du ein anständiges Abitur bauen willst, und das muß ich haben, sonst ist es mit dem Studium Sense, dann mußt du ochsen, bis dir die Zähne klappern! Ein Glück, daß ich Hilde habe. Hilde hilft mir wenigstens. Die anderen, die haben nur eins im Sinn. Den anderen überrennen, übertreffen, niederwalzen, wegen eines Zehntel-Punktes vernichten. In der Schule gibt es keine Kameradschaft mehr, seit wir nach dem Punktsystem bewertet werden. Du kannst dir den Streß nicht vorstellen, Mama!«
    Maria widersprach nicht. Sie hatte das Abitur nicht gemacht, nicht, weil sie es nicht geschafft hätte, sondern weil sie als musikalisches Wunderkind gegolten und deshalb schon früh andere Verpflichtungen gehabt hatte. Mit sechs Jahren hatte sie bereits Clementi-Sonatinen geübt, als Achtjährige hatte sie Mozart und Schubert gespielt, mit zwölf ihr erstes Konzert mit Brahms und Bach gegeben. Es war ein riesiger Erfolg. Der Name Maria Sakrow prägte sich bereits den Musikkritikern ein. Nun gab es nur noch das Klavier. Und das war ihr Tageslauf:
    Am Vormittag drei Stunden Unterricht in Allgemeinbildung durch einen Hauslehrer, einschließlich Englisch und Französisch, dafür weniger Mathematik, Physik und Chemie. Denn die Familie Sakrow war der Ansicht, man müsse nicht unbedingt die chemischen Zusammensetzungen des Lacks kennen, mit dem der Flügel poliert ist, auf dem man es zur Meisterschaft bringen soll. Nachmittags Klavierunterricht, täglich vier, fünf, auch sechs Stunden. Fingerübungen, Passagen, Partiturstudium der großen Konzerte, Gedächtnistraining, Auswendiglernen. Und immer wieder Läufe und Triller, die Technik der Virtuosität. Abitur? Das erübrigte sich wohl. Denn die Sakrows dachten, bei allem Ehrgeiz, auch an die Gesundheit ihrer Tochter.
    Heute, am Dienstagmittag, hatte Eduard Barrenberg telefonisch ausrichten lassen, er habe wichtige Konferenzen. Monika war wieder zu ihrer hilfsbereiten Freundin Hilde gefahren. Und während Barrenberg zum letztenmal vor seiner Florenzreise Bettina in ihrer Wohnung beschwor mitzukommen, und während Monika wieder in dem schrecklichen Zimmer des verfallenen Hauses auf der Matratze saß und zuhörte, wie Freddy mit zitternden Fingern Flöte spielte, suchte Maria ein auf Figur gearbeitetes Seidenkostüm aus, verwendete viel Zeit auf ihr Make-up, kämmte und besprühte ihr Haar zu einer lustigen Windstoßfrisur und fand sich im Spiegel sehr jung und attraktiv. Sie meinte, nie besser ausgesehen zu haben, nicht in den letzten Monaten. Sich für Eduard besonders schön zu machen, war vergebliche Mühe, – er sah es doch nicht. Und wenn er es doch einmal bemerkte, war seine Reaktion: »Wie siehst du denn aus? Was ist denn los?!« Sie verzichtete dann darauf, zu antworten: »Es ist für dich, du Stoffel! Ich bin erst fünfundvierzig! Ich bin in den besten Jahren einer Frau! Gut, in den Augenwinkeln sind einige Fältchen, aber mein Körper ist noch straff wie früher. Kennst du meinen Körper überhaupt noch?! Weißt du, wie meine Brüste aussehen? Erinnerst du dich noch daran, daß ich lange,

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