Eine angesehene Familie
Makaroffs Augen waren wie die eines großen Jungen, der nicht mitspielen darf.
»Ihr Hundeblick nutzt Ihnen gar nichts«, sagte Maria Barrenberg und erhob sich. Ich muß weg, dachte sie. Ich muß sofort weg, sonst verliere ich meine Haltung. Was ist bloß mit mir los? Du bist verrückt, Maria! Du hast dich eine Stunde lang einlullen lassen von diesem südlichen Charme, als sei es Opiumrauch. Das ist es: er kann reden und reden, und man hört ihm zu, bis man wie betäubt ist. Reiß dich los von diesem balkanischen Schmäh! Du willst doch heute nachmittag mit Monika zum Tennis fahren. Sogar Eduard will mitkommen, nicht um zu spielen, das haßt er. Warum soll man sich wegen eines Balles die Lunge aus dem Leibe husten, sagt er, da sitz' ich lieber unterm Sonnenschirm und zische mir einen. Aber er kommt heute wenigstens mit und wird mit den Clubmitgliedern entweder über Ostpolitik oder über die Steuerschraube diskutieren. Es hat keinen Sinn, Petro Makaroff. Ich bin eine anständige, stinknormale Frau. Ich brauche keine Abenteuer, um glücklich zu sein. Mir reicht die Familie.
»Wäre ich ein Hund«, hörte sie Makaroff sagen, »dann hätte ich das Glück, immer an Ihrer Seite zu laufen und zu Ihnen emporzublicken. Aber ich bin nur ein Mensch, und dazu noch ein Ausländer …«
»Ich bitte Sie!« Maria war betroffen. »Das spielt doch gar keine Rolle. Was denken Sie …«
»Ein Bulgare! Wilder Balkan! Ziegenkäse und Joghurt. Bei uns heißt er übrigens Kefir.« Makaroff senkte den Kopf. »Ich bin so traurig …«
Er ist verrückt, dachte Maria Barrenberg, aber ich kann ihn so nicht sitzenlassen. Natürlich spielt er Theater, und welch ein Schauerstück er da spielt! Aber er spielt es hervorragend, überzeugend und unausweichlich.
»Wie kann ich Sie erreichen?« fragte sie.
Makaroff zuckte hoch. Daß er den Tisch nicht vor Freude umwarf, war ein Wunder. »Wir sehen uns Dienstag? Um 15 Uhr, wieder hier auf der Caféterrasse?«
»Bis dahin ist doch der Wagen nicht repariert.«
Dienstag, dachte sie. Was ist Dienstag? Ach ja, Begleitung für Ljuba Antonownas heimlichen Tanznachmittag. Coppelia will sie tanzen. Das kann man absagen und verschieben. Auf Donnerstag. Da kommt Fleischfabrikant Max Rolle erst gar nicht nach Hause, sondern fährt vom Betrieb gleich zum Kegeln. Dienstag könnte man sich frei machen. Könnte …
»Aber es beruhigt mich, wenn ich sehe, daß Sie mir nicht mehr böse sind. Und Sie können es mir beweisen, indem Sie zusagen …«
»Das ist eine glatte Erpressung!«
Makaroff breitete beide Arme aus und schwieg. Nur seine Augen bettelten.
»Also gut!« sagte Maria wider alle inneren Warnungen und Widerstände. »Am Dienstag. Für eine Tasse Kaffee.«
»Wie heute!« Makaroff ergriff ihre Hand und küßte sie. »Ich werde bis Dienstag wie auf Wolken schweben!«
Auf dem Parkplatz winkte er ihr nach, bis ihr Wagen im Gewühl der anderen Autos verschwunden war. Sie sah es im Rückspiegel und später durch die Seitenscheibe: Er stand da, groß, elegant, männlich-schön, lässig an den Kofferraum seines weißen Wagens gelehnt, und winkte mit beiden Armen.
Erst als er Maria Barrenberg nicht mehr sah, veränderte sich sein Gesicht und drückte unverhohlenen Triumph aus. Sie zappelte im Netz!
George Petrescus war sehr mit sich zufrieden.
Drei Abende hintereinander wartete Eduard Barrenberg auf seinen Widersacher.
Er saß in Bettinas Wohnung mit verbissenem Gesicht, zu allem entschlossen und zu keinem Kompromiß bereit. Bettina hatte ihn beschworen, nicht mehr zu kommen; sie hatte gebettelt, gefleht, ihre Angst hinausgeschrien. Aber Eduard Barrenberg hatte nur geantwortet:
»Nein! Dieses Schwein kaufe ich mir! Da du mir nicht sagen willst, wie er heißt und wo er wohnt, warte ich hier. Einmal wird er auftauchen!«
Es war eine gräßliche Szene gewesen, als Barrenberg nach dem Treffen im Zoo mit Bettina zurück in ihre Wohnung fuhr und sie dort auszog. Sie hatte sich geweigert, sie hatte sich mit Händen und Füßen gewehrt, aber als Eduard begann, ihr Kleid zu zerreißen, kapitulierte sie und warf alles von sich ab.
Barrenberg starrte ihren nackten Körper an, atmete schnaufend und schlug die Fäuste gegeneinander. Über den Rücken und die Brüste zogen sich breite blutige Striemen. Die linke Gesäßhälfte war ein einziger blaugrüner Fleck. Über die Oberschenkel liefen die Schrammen wie Blutgerinnsel.
»Diese Bestie!« knirschte er. »Dieses Tier! Den mach ich fertig, Betty. Ich schwöre
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