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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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russische Kirche habe ich auch noch nicht von innen gesehen. Nur auf Fotos.«
    »Fotos!« Makaroff winkte ab. »Kein Bild kann diesen Eindruck wiedergeben. Die Gegenwart des Unbegreiflichen ist nicht darzustellen.« Sein Gesicht strahlte. »Wir fahren also?«
    »Nur zur Kirche!«
    »Ich möchte jubeln, Maria!« Makaroff breitete beide Arme aus, und Maria fürchtete schon, er könne wirklich aufschreien. »Ich werde Ihnen in der Kirche ein Lied vorsingen, das ich als Kind gesungen habe. ›Erbarme dich, Höchster, des Ärmsten deiner Schöpfung …‹ Ich werde es Ihnen auf russisch vorsingen …«
    In Maria gab es keinen Widerstand mehr. Sie nickte stumm, drückte die Rosen an ihre Brust und dachte nur noch an die gegenwärtige Stunde, nicht mehr an das Vergangene oder das Kommende. Es war ein Zustand, der ihr völlig fremd war und den sie auskostete, wie ein Durstiger einen Schluck Wasser.
    Soll man erwähnen, daß es ein schöner Tag wurde? Soll man gestehen, daß Maria seit Jahren nicht so glücklich gewesen war wie in diesen Stunden?
    Makaroff verhielt sich ihr gegenüber immer sehr korrekt, aber er übersah nichts an ihr. Was Eduard Barrenberg längst nicht mehr bemerkte – für ihn schien es eine Offenbarung zu sein: Wie Maria lachen konnte, wie sie den Kopf dabei zur Seite neigte, wie sie beschwingt ging, wie sie die Lippen spitzte, wenn sie etwas ganz Schönes sah, wie sie mit der Hand durch ihr Haar fuhr, wenn sie etwas erstaunte … Kleinigkeiten, die mehr über ihr Wesen aussagten als ihre Worte. Makaroff sah sie, sprach von ihnen, bewunderte sie. Zu Maria kam der Hauch eines Lebens, das längst verschüttet gewesen war. Ein Hauch von Jugend und einer Unbeschwertheit, die sie all die Jahre über verdrängt hatte. Frau und Mutter – war das alles, was das Leben zu bieten hatte?
    Sie betrachteten die russische Kirche. Maria stand ehrfürchtig in dem prunkvollen Raum, starrte auf die goldschimmernden Ikonen, die bemalten Wände und Decken und drückte beide Hände gegen ihr Herz, als Makaroff tatsächlich zu singen begann, vorn an der heiligen Wand. Er sang mit einem klaren Tenor, mühelos, ganz in den Choral versunken, die Hände gefaltet, mit halb geschlossenen Augen. Aber während er sang, beobachtete er unter den gesenkten Lidern Maria und ihre Ergriffenheit, und was ihr Hingabe schien, war in Wirklichkeit der Ausdruck seines Triumphes.
    Hier, in der Kirche, küßte er sie auch zum erstenmal, zaghaft, in den Nacken, als sie die Heiligenfiguren betrachtete. Ein Schauer überlief sie, er spürte ihn und freute sich darüber.
    In der Spielbank gewann Makaroff 19.000 Mark. »Du bist mein Glücksengel!« sagte er und küßte ihre Handflächen. Dann verließ er den Roulettetisch und sagte, er wolle das Glück nicht zu sehr strapazieren. Er schenkte den Croupiers hundert Mark, faßte Maria unter und ging mit ihr zu dem bestellten Tisch im Kurhaus. Alles lief plötzlich so normal, so logisch ab, daß Maria sich von der Stunde treiben ließ. Sie dachte nicht an Eduard oder Monika, nicht an ihre Villa in Sachsenhausen, nicht an das Ungeheuerliche, was jetzt mit ihrem Leben geschah. Sie aß Trüffelsuppe, eine Ente aus der Bresse, ein Soufflé mit Cointreau, sie trank einen blutroten Burgunder und einen Champagner de Brut, danach einen höllisch heißen und starken Mokka, dem man nicht anmerkte, daß Makaroff geschickt wie ein Zauberkünstler ein paar Tropfen beigemengt hatte. Sie war lustig, ja ausgelassen, lachte über seine charmanten Witze und fand es ganz natürlich, daß Makaroff alles, was er für den Spielbankbesuch brauchte, in seinem Wagen bereitliegen hatte: Das blaue Jackett zu der blauen Hose, ein weißes Hemd, das er im Casino auf der Toilette angezogen hatte, eine dunkelblaue Samtschleife, schwarze Lackstiefeletten: ein eleganter Mann, dem die Frauen nachblickten, wie sonst nur die Männer den auffallenden Frauen. Es war überhaupt alles selbstverständlich an diesem Tag, es war ein Ausflug in ein unbekanntes, schönes, lockendes Land.
    Nach dem Essen wurde Maria seltsam müde. Makaroff löste sich in Nebeln auf, sein lächelndes Gesicht glich einer dahinziehenden Wolke. Sie erhob sich, Makaroff stützte sie, und dann war es ihr, als verlöre sie den Boden unter den Füßen und schwebe dahin wie ein Nebelschleier. Von ganz weit hörte sie Makaroffs Stimme.
    »Madame hat die Trüffeln nicht vertragen. Ich frage Sie …«
    »Aber ich kann Ihnen versichern, sie sind heute morgen ganz frisch eingeflogen

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