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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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was er sich schießt –, der war wirklich ein Erlebnis. Sauschlecht war mir hinterher, natürlich … Aber vorher, eh' ich einschlief, was Freddy ungemein blöd fand, war die Welt wirklich verändert. Heller, liebenswerter, unbeschwerter. Papas Betrug an Mama lag so weit weg, alle Probleme lösten sich auf. Man häutete sich, war wie neugeboren, hätte die Sonne umarmen können.
    Ich weiß, daß genau diese Wirkung das Teuflische an H ist: diese neue Welt von Glück, in die man immer wieder zurück will und in die man zurück muß, weil der Körper danach verlangt, sich schüttelt und aufbäumt. Die Därme brennen, das Herz jagt, das Hirn hämmert, die Zähne schlagen aufeinander, die Muskeln beginnen zu zucken. Gebt uns das H, gebt uns das Glück, gebt uns die neue Welt … Und so kommt man in einen Teufelskreis und spritzt und spritzt, bis der Körper zerfällt, bis das Gift einen von innen zerfrißt. Das alles weiß man. Aber man kann nicht mehr zurück.
    So habe ich's jedenfalls gehört. Aber bei mir ist das anders. Ich glaube, ich könnte mich nie daran gewöhnen. Ich habe einen starken Willen! Ich brauche keine Dope, um das Leben durchzustehen. Ich weiß, was ich will.
    Gestern habe ich lange darüber nachgedacht, warum ich zu Freddy gehe, was überhaupt mit mir los ist, daß ich mich an einen Kerl wie Freddy hänge, wo es doch genug anständige Männer gibt. Zuerst habe ich Mitleid mit ihm gehabt, als er auf der Straße lag und blutete, dann habe ich ihm sogar das H besorgt, weil ich nicht sehen konnte, wie er zitterte und sich krümmte, und dann hat er mir erzählt, woher er kommt, was er schon alles hinter sich hat: Türkei, Afghanistan, Indien, Thailand, bei den Gurus ist er gewesen, bei Fakiren und in Opiumgiftküchen im Dschungel … Und dann ist er wieder zurück nach Deutschland, um sich alles wieder abzugewöhnen – und er kommt nach Hause, und bei seiner Mutter liegt ein fremder Kerl im Bett, der prügelt ihn mit einem Besen aus der Wohnung. Da hat er wieder gedrückt und will so auch krepieren!
    Man sollte ihn wieder zurückholen! Freddy ist ein guter Junge, nur eben total von seiner Umwelt versaut. Deshalb gehe ich zu ihm.
    Elf Uhr nachts.
    Ich komme von Freddy. War erst bei ihm in dem furchtbaren Haus, dann in der Disko ›Number Sex‹. Freddy spielt wirklich fantastisch Trompete, aber nur, wenn er vollgepumpt ist. Ist er auf Turkey, kann er die Trompete nicht halten. Sie fällt ihm aus den Fingern. »Sie wiegt hundert Zentner!« sagt er. Sein letztes Geld hatte Freddy für das Dolantin gegeben. Ich hatte so etwas geahnt und habe am Vormittag von meinem Sparkonto dreihundert Mark abgehoben. Sollte für den Urlaub sein. Hilde und ich wollten nach Mallorca. Muß ganz toll sein. Aber damit wird es nun nichts, wenn Papa das Konto nicht wieder auffüllt. Ich werde ihm sagen, ich habe für das Abitur noch Bücher kaufen müssen. Er kontrolliert es ja doch nicht, er glaubt alles, was ich ihm sage. Manchmal sagt er nur ja und hat gar nicht zugehört.
    Ich habe für Freddy Dope gekauft. Von einem Kerl, der an der Hauptwache stand und sich von Männern ansprechen ließ, um so das Geld für seine Schüsse zu verdienen, habe ich die Adresse bekommen. Ein Türke. Ismet Özdogan heißt er. Hat in der Innenstadt einen harmlosen Gemüseladen für Gastarbeiter. Da geht es raus und rein, und jeder, der aus der Heimat als Urlauber zurückkommt nach Frankfurt, hat ein Päckchen H bei sich. Ganze Familien sind lebende Heroinverstecke. Freddy hat mir schon vorher so etwas erzählt, ich habe es nicht geglaubt –, aber jetzt habe ich es gesehen. Da ist die Polizei völlig machtlos. Man kann doch an der Grenze nicht Hunderttausende von Türken einzeln durchsuchen.
    Von Ismet Özdogan habe ich ein Gramm Afghanen – 85 Prozent rein – gekauft. Die Fachleute nennen es ›H Nr. 4‹. Und es kostet nur 100, – Mark pro Gramm. Das ist dreimal billiger als die bisherigen Hongkong-Rocks, die außerdem noch unsauber waren und nur 30 Prozent H enthielten. Freddy war glücklich. Das neue Nr. 4 löst sich besser auf, man braucht weniger davon, kommt mit einem Gramm länger aus. Aber man kann sich auch mit einem ganzen Gramm seinen hundertprozentigen Goldenen Schuß drücken. Freddy sagt: »Das ist 'ne Wucht! Wenn die Türken das Geschäft weitermachen, wird 'n Schuß geradezu zum Volksvergnügen. Für den Preis kann sich jeder einen Trip leisten. Wer früher Karussell fuhr, drückt sich jetzt einen weg. Ihr Kinderlein kommet

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