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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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zufällig Polizist ist oder eine kleinbürgerliche Aversion gegen jede Art von Gesetzesübertretung hat, dem gefällt das Bild, das man sich macht, wenn man von einem erfolgreichen Schwindler mit einem Haus in Südfrankreich hört. Man sieht den Mann sofort vor sich, wie er braungebrannt und lächelnd in einem schicken italienischen Hemd auf der Terrasse seiner Villa in Cap d’Ailes oder Super Cannes sitzt und einen Martini Dry trinkt. Er ist nicht mehr der Jüngste, aber er hat noch alle Haare, keine Sorgen und eine junge Frau, die ihm treu ist. Sein unrecht Gut ist ganz in sicheren Aktien angelegt, er ist Besitzer eines Nummernkontos auf einer Schweizer Bank und einer Aktiengesellschaft, die aus Steuergründen in Curaçao registriert ist. Er ist der lebende Beweis dafür, daß sich Verbrechen bezahlt machen, manchmal sogar sehr.
    Erwähnt man aber, daß das Haus in Südfrankreich bei Sète liegt, so sieht alles ganz anders aus. Natürlich nur, wenn man Sète kennt.
    Sète liegt am Golf von Lyon, 200 km von Marseille entfernt. Es ist der Hafen für das Weinbaugebiet von Hérault, das einen Wein hervorbringt, der mehr in Tanks als in Fässern transportiert wird und sich am besten als Industriealkohol eignet. Sète verfügt über Fabrikbetriebe, eine Werft, eine Fischereiflotte und eine Ölraffinerie. Die Küstenlinie verläuft gerade, das Land ist flach und ohne Merkmale, mit Ausnahme des Wahrzeichens der Stadt, des Mt. St. Clair, einem Hügel mit Leuchtturm und Küstenverteidigungsanlagen. Die Stadt ist zum großen Teil von Kanälen durchzogen, die die verschiedenen Docks miteinander verbinden. Neben den kleinen Hotels für Handlungsreisende hat es entlang der Küste ein paar Familienpensionen für die Abgehärteten, die dem schattenlosen Strand, über den der Wind fegt, und dem kalten Wasser des Golfstromes trotzen. Die Stadt bemüht sich nicht um Touristen. Es ist eine Stadt des Handels und der Industrie, häßlich, aber nützlich, und sie will auch gar nichts anderes sein.
    Es schüttete, als ich ankam, und es war kalt. Man wähnte sich eher an der Ostsee als am Mittelmeer. Ich fand ein schlecht geheiztes Hotel und aß dann in einer Bierstube um die Ecke. Ich hatte nicht die Absicht, die Nachforschungen so zu machen, wie Sy es vorgeschlagen hatte. Wenn wirklich ein Philip Sanger in Sète lebte und dort ein Haus hatte, so gab es einen simpleren Weg, die Adresse herauszubekommen. Montpellier, der Sitz der Verwaltung des département Hérault, ist nur 29 km entfernt. Ich konnte dort ins Hôtel de Ville gehen und das Grundbuch konsultieren. Oder ich konnte im Telefonbuch nachschlagen.
    Dies tat ich sogleich, fand aber keinen Sanger. Die Auskunft wußte auch nichts. Da ich an diesem Abend nichts mehr unternehmen konnte, rief ich die Pariser Redaktion an, gab der diensttuenden Telefonistin Namen und Telefonnummer meines Hotels bekannt und ging schlafen.
    Am nächsten Morgen fuhr ich nach Montpellier.
    Der archiviste war sehr hilfsbereit und gar nicht neugierig. Es war anscheinend des Landes Brauch, daß jeder vom andern herausfinden wollte, wieviel er besaß. Ich brauchte etwas länger als eine Stunde, bis ich herausgekriegt hatte, daß dem Finanzberater und Immobilienmakler Philip Sanger, 16, Rue Payot, Sète, drei kleine Grundstücke am Mt. St. Clair gehörten. Er hatte sie vor sechs Monaten der Witwe des Kolonialwarenhändlers für 7000 neue Francs pro Stück abgekauft – es waren die Nummern 14, 16 und 18 an der Rue Payot –, und sie umfaßten jedes ein Zehntel eines Hektars, etwa ein Fünftel eines Morgens. Mit einem nachsichtigen Lächeln sagte der archiviste , daß die Häuser nichts als ›baraquettes‹ seien, alte Garnisonsunterkünfte, für die die Armee keine Verwendung mehr hatte.
    Ich fuhr nach Sète zurück und ging hinauf zur Rue Payot.
    Festung und Zitadelle des Mt. St. Clair waren von Vauban ursprünglich als Teil eines Küstenverteidigungssystems gebaut worden, das sich von der spanischen Grenze bis zu den Iles d’Hyères erstreckte. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war der ganze Hügel ein Militärquartier gewesen. Mit der Änderung der Verteidigungstechniken war die Garnison immer mehr zusammengeschrumpft. Auf dem Hügel war ein Dorf entstanden, und die baraquettes wurden allmählich geräumt. Die Geschäftsleute und Kleinbauern der Gegend hatten sie gekauft und verwendeten sie als Lagerhäuser und Ställe.
    Die Rue Payot war eine steile, enge Gasse. In den hohen Steinmauern zu beiden Seiten

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