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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Lautsprecher in einem Flughafen. Sie gellt einem in den Ohren, aber man versteht kaum etwas. Zudem pflegt Mr. Cust mit vollem Mund zu reden, was die Sache nicht besser macht.
    »Danke der Nachfrage, Chef«, sagte Sy Logan.
    »Fein. Hören Sie zu, Sy. Ich habe über diese Angelegenheit vom letzten Monat nachgedacht, über den Mordfall Arbil, und auch darüber, was wir tun sollten.«
    Es entstand eine Pause. Sy öffnete gerade den Mund, um etwas zu sagen, als Mr. Cust fortfuhr: »Die Schöne im Bikini ist immer noch nicht gefunden worden, nicht wahr?«
    »Nein, Chef.«
    »Großer Gott!« Er sagte das leise, aber sein Ton verriet nicht nur Besorgnis über einen Sachverhalt, er machte Sy persönlich dafür verantwortlich. »Was tun eigentlich wir in dieser Sache, Sy?«
    »Nun, Chef …«
    »Erzählen Sie mir jetzt nicht, daß wir die Reuterversion übernommen haben, das weiß ich selber. Was ich wissen möchte, ist: Was tun wir?«
    »Wir können ja gar nichts tun, Chef. Die Frau wird jetzt seit sechs oder sieben Wochen gesucht. Ihr Bild ist in fast allen Zeitungen und Magazinen Europas erschienen. Sie kann in Frankreich, Spanien, Portugal oder Italien sein. Wahrscheinlich ist sie in Frankreich. Aber solange die Polizei sie nicht gefunden hat, können wir …«
    »Sy!« Die Stimme hatte jetzt einen klagenden Ton.
    »Ja, Chef?«
    »Sy, ich möchte nicht, daß Paris Match oder Der Spiegel uns die Sache wegschnappen.«
    Dies ist ein gutes Beispiel für die Cust’sche Frozzeltechnik. Er erwähnte nicht Time-Life oder News Week oder U.S. News and World Report , und gab damit zu verstehen, daß diese Blätter dank der Wachsamkeit der New Yorker Redaktion keine Chance hatten, World Reporter irgend etwas wegzuschnappen, der Schlendrian der Pariser Redaktion es hingegen der fixen deutschen und französischen Konkurrenz leichtmache. Da diese unlängst World Reporter zweimal zuvorgekommen war, saß der Seitenhieb. Sy reagierte denn auch prompt und heftig.
    »Was wegschnappen, Chef?« fragte er verärgert. »Da gibts im Augenblick gar nichts wegzuschnappen. Solange die Frau sich nicht der Polizei stellt oder von ihr aufgespürt wird, kann ich nichts tun. Die Story ist tot.«
    »Ist sie das, Sy?« In Gedanken sah ich Mr. Cust seinen knochigen Zeigefinger an die Nase legen. »Das scheint mir für einen Journalisten eine bedenkliche Einstellung zu sein.«
    »Nun gut, dann nicht tot, bloß eingeschlafen.«
    »Sehr witzig! Aber Sie scheinen mich nicht zu verstehen, Sy. Wir wissen doch, daß die Geschichte einen politischen Haken hat, der auch die Unfähigkeit der Polizei, die Frau zu finden, erklärt. Oder haben Sie das etwa nicht gewußt?«
    »Ich weiß, daß das hier die Version des linken Flügels ist.«
    »Es ist mehr als nur eine Version. Ich habe unwiderlegliche Beweise dafür, daß es eine Tatsache ist.«
    »Was für Beweise, Chef?«
    »Ich will jetzt nicht in Details gehen, aber ich kann Ihnen verraten, daß der C.I.A. sehr daran interessiert ist.« Das ist einer seiner Standardscherze. »Und wir sollten uns auch dafür interessieren. Wir müssen die Frau finden, damit wir die Story bekommen, und zwar bevor andere das an unserer Stelle tun.«
    Sy räusperte sich. »Entschuldigen Sie, Chef, aber das habe ich nicht ganz mitbekommen. Wenn Sie ›finden‹ sagen, meinen Sie dann …?«
    »Genau das, was ich sage – finden . Ohne die Frau keine Story, das ist doch klar.« Er wurde langsam ungeduldig.
    Dies alles sagte mir nicht viel. Ich hatte in Portugal einen Fürsten im Exil interviewt, als die Geschichte begann. Soviel ich wußte, war ein Mann namens Arbil in der Schweiz ermordet worden, und die Polizei suchte die Tatzeugin, eine Frau im Bikini.
    Sy, der mit einer Zigarette gespielt hatte, zündete sie jetzt an und antwortete dann bedächtig: »Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Chef. Wenn wir die Frau finden, haben wir eine Story. Ganz gewiß.«
    »Gut. Und wer soll sie suchen?«
    Sy drückte die Zigarette aus. »Um ehrlich zu sein, Chef: Niemand.« Am andern Ende der Leitung herrschte Totenstille. Sy fuhr grimmig fort: »Bevor ich in diesen Betrieb kam, war ich Reporter.«
    »Und zwar ein sehr tüchtiger«, gestand die Stimme herablassend zu. Aber man spürte, daß die Sache anfing, Mr. Cust Spaß zu machen.
    Sys Nacken lief rot an. »Tüchtig oder nicht«, fuhr er fort, »auf alle Fälle habe ich Ihnen zuliebe meine Denkweise geändert. Ich erinnere mich noch genau an einige Dinge, die Sie mir sagten. Zum Beispiel: ›Vergessen

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