Eine Art von Zorn
naheliegenden Schluß. »Dann nehme ich an, daß dieser Brigadier Farisi der Käufer ist, den Sie erwarten?«
Sie nickte. »Einer von ihnen. Sobald er in Ihrem Magazin von mir lesen wird, wird er auch wissen, daß ich mit ihm Kontakt aufnehmen möchte.«
»Für wen arbeitet Skurleti?«
»Für das italienische Konsortium, glaube ich. Ich bin sogar fast sicher.« Sie zündete sich umständlich eine Zigarette an, bevor sie fortfuhr: »Ahmed nahm an, daß Bagdad vor der Dagh -Verschwörung gewarnt worden war. Er hatte sich damit einverstanden erklärt, ihnen sein gesamtes Dagh- Dossier zu verkaufen. Er hat sich verhalten wie ein verantwortungsbewußter Mensch und Patriot.« Sie machte eine Pause, damit ich mir dies einprägte.
»Andererseits«, sagte ich schnell.
»Ja. Andererseits sind die Leute in Bagdad vielleicht nicht die einzigen, die an diesen Aufzeichnungen interessiert sind.«
»Verkaufen Sie sie zweimal.«
»Es könnte nichts schaden. Bei einem der Dagh -Treffen fand Ahmed heraus, daß ein neugegründetes italienisches Ölkonsortium an einem politischen Wechsel im Mosul-Kirkuk-Gebiet sehr interessiert wäre, weil das allenfalls zur Aufhebung der gegenwärtigen Ölkonzessionen, die zu gleichen Teilen gehen, und zur Gewährung neuer Konzessionen auf der Basis von 75 zu 25 Prozent führen könnte. Eine italienische Gesellschaft hat im Iran bereits einen solchen Vertrag abgeschlossen. Jetzt wollen das natürlich die anderen Ölländer auch. Die amerikanischen und britischen Konzessionen im Irak sind so lange sicher, wie die politische Lage dort stabil bleibt. Für den Fall einer Änderung möchte das italienische Konsortium zuerst im Geschäft sein. Deshalb würde es auch gern im voraus über Dagh Bescheid wissen – welche Chancen es hat, und wer die neuen Führer sein werden, mit denen verhandelt werden müßte.«
»Aus der Tatsache, daß Skurleti bereits tätig ist, schließe ich, daß Oberst Arbil das Konsortium hat wissen lassen, daß er an einem Geschäft interessiert wäre.«
»Ja. Sie haben es gewußt.«
»Folglich sind also zwei Käufer auf dem Markt. Aber was ist mit den Leuten, die Ihren Freund ermordet haben? Ich könnte mir vorstellen, daß auch sie in der Nähe sein werden, falls sie lesen können.«
Ihr Gesicht wirkte angespannt. »Ja, sie werden herkommen. Dagh ist offensichtlich gefährdet, aber sie müssen sich und ihre Organisation jetzt zu retten versuchen. Das bedeutet: die Aufzeichnungen vernichten. Vielleicht haben sie jemanden, der ihnen hilft, zum Beispiel die Russen. Deshalb mußte ich so vorsichtig sein. Zuerst dachte ich, über die irakische Botschaft in Paris einen Kontakt mit Brigadier Farisi herzustellen, aber ich weiß, daß Ahmed nicht daran gedacht hätte, ein solches Risiko einzugehen. Bagdad war einmal unvorsichtig gewesen, Bagdad konnte auch ein zweites Mal unvorsichtig sein. Verstehen Sie? Ich fürchtete mich, aber ich mußte vorsichtig sein.«
»Ja, ich verstehe.« Und ich verstand es. Sie hatte sich gefürchtet, aber sie hatte sich nicht so sehr gefürchtet, daß sie den Kopf verloren hätte; sie hatte sich versteckt und gewartet und am Ende einen Weg gefunden, aus Arbils Investition Kapital zu schlagen. Bisher hatte sie mich fasziniert. Nun begann ich sie zu schätzen. Bald würde sie mir gefallen.
»Und wir müssen auch vorsichtig sein«, fügte sie hinzu. »Das heißt, falls Sie mir helfen wollen.«
Sie blickte mich ängstlich an, bereit, mich zu überreden; aber ich hatte mich schon entschieden.
»Gut«, sagte ich. »Aber ich glaube, ich mache Ihnen besser jetzt gleich klar, daß ich ein moralischer und physischer Feigling bin, ein Neurotiker.«
Sie lachte. »Aber Sie haben doch Ihrem Chef gesagt, er solle sich zum Teufel scheren.«
»Auf dem Papier bin ich sehr mutig.«
»Sie sind komisch.« Abschätzend blickte sie mich an. »Ich glaube, ich mag Sie.«
»Sie werden Ihre Meinung ändern. Wir haben noch nicht über meinen Lohn gesprochen.«
»Ach, das.« Sie überlegte einen Augenblick, dann schien sie einen kühnen Entschluß zu fassen. »Sehen Sie«, sagte sie, »jetzt ist das Ganze nur mehr eine Angelegenheit von ein paar Telefongesprächen. Ich meine, wenn Sie fünf Prozent erhalten, dürfte das reichen.«
»Mir nicht.«
»Fünfundzwanzigtausend neue Francs!« sagte sie ungehalten. »Das ist ein Vermögen!«
»Für ein paar Telefongespräche schon. Nicht aber für das, was ich tun müßte, Lucia. Die Leseproben müssen geprüft werden. Das sind
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