Eine Art von Zorn
mich überredet hat, aufzugeben. Und Sie werden der Polizei den Rest von Ahmeds Dokumenten übergeben.«
»Aber ich werde selbstverständlich nichts über den Verkauf der Dagh- Aufzeichnungen sagen.«
»Sicher nicht. Denn das würde die Polizei gar nicht gerne hören.«
»Sind Sie sich darüber im klaren, daß die Polizei ohne jene Aufzeichnungen überhaupt keine Chance hat, die Männer, die Ihren Freund gefoltert und ermordet haben, zu finden?«
Sie zuckte die Achseln. »Sie hat sowieso keine Chance. Außerdem wäre es Ahmed gleichgültig. Es würde ihn nicht wieder lebendig machen, wenn jene Männer ins Gefängnis kämen. Für ihn wäre es wichtig, daß die Aufzeichnungen in die richtigen Hände gelangen und daß ich das Geld bekomme.«
»Ja. Natürlich.«
Sie glaubte, einen kritischen Unterton gehört zu haben, und preßte den Mund zusammen. »Ich habe viele Male um Ahmed geweint«, sagte sie ruhig. »Aber das ist jetzt vorbei, und ich will nicht etwas vorspielen, was ich nicht mehr empfinde. Besonders Ihnen will ich nichts vorspielen. Seitdem wir Geschäftspartner sind, können wir auf Heuchelei und Theater verzichten. Ich habe gesagt, daß ich Sie gern mag, aber ich mag Sie nicht , wenn Sie sich einen steifen Kragen umlegen.«
Sie meinte, wenn ich den Moralisten spielte.
Ich lächelte. »Ich bitte um Entschuldigung. Der steife Kragen soll sofort weggeworfen werden.«
»Gut. Dann werden Sie morgen hier sein?«
»Etwa um diese Zeit. Ich kann meine Reisetasche und die Lebensmittel in Ihrem Wagen verstauen. Danach werde ich den Renault der Autovermietung zurückgeben. Etwas später, wenn es dunkel ist, können Sie mich in Nizza abholen.«
Sie war damit einverstanden.
Ich setzte den Hut auf und ging weg. Da ich mir jetzt keine Gedanken zu machen brauchte, ob Skurleti in der Gegend von Cagnes war, fuhr ich über die Autostraße direkt nach Nizza zurück. In der Rue Gambetta gab es ein großes Lebensmittelgeschäft. Ich kaufte Eier, Ölsardinen, Gemüse und Früchte in Dosen, verschiedene haltbare Fleischsorten und ein paar Flaschen Wein. Ich mußte zweimal gehen, um alles im Wagen zu verstauen. Von dort aus fuhr ich zu der Garage in der Nähe des Bahnhofs und parkte das Auto. Da es nach Regen aussah, ging ich hinüber ins Hotel, um meinen Mantel zu holen.
Für den Fall, daß ich mehrere Tage in dem kleinen Haus in Beaulieu leben mußte, dachte ich, könnten einige Bücher und ein kleines Radio nicht schaden. Und als ich durch die Drehtür in die Hotelhalle ging, setzte ich noch Zigaretten auf die neue Einkaufsliste.
Ich sah Bob Parsons, bevor er mich sah. Er stand beim concierge und zeigte ihm ein Foto. Der concierge blickte beim Geräusch der Tür automatisch auf. Einen Augenblick lang verhinderte der Hut, daß er mich erkannte; aber nur einen Augenblick. Er stieß einen Schrei aus, und Bob Parsons drehte sich um.
Als ich kehrtmachte und wieder durch die Tür nach draußen stürzte, hörte ich, wie Bob Parsons mir etwas nachrief.
»Piet! He, Piet! Sie verdammter Narr! Warten Sie doch!«
Dann war ich wieder auf der Straße. Ich hörte das Quietschen der Bremsen und der Reifen, als ich vor einem fahrenden Auto über die Straße lief. Der Fahrer brüllte mir irgend etwas nach. Noch einmal hörte ich undeutlich, wie Bob Parsons meinen Namen rief. Ich blickte nicht zurück. Ich rannte.
II
Zum Glück hatte es jetzt zu nieseln begonnen. Wenn es nicht regnet, mag ein Mann, der durch die Straßen rennt, auffallen, vielleicht sogar der Polizei verdächtig erscheinen. Aber niemand kümmert sich um einen Mann, der mit hochgeschlagenem Kragen durch den Regen rennt. Ich lief, bis ich nicht mehr konnte.
Am Ende der Rue Rossini ist ein großes Café. Ich ging hinein und rief Lucia an. Zum Glück hatte ich ihre Nummer auf der Rückseite meines Presseausweises notiert.
Ich erzählte ihr, was geschehen war. Sie stellte keine dummen Fragen und jammerte nicht. »Wo sind Sie jetzt?« fragte sie.
Ich gab ihr die Adresse des Cafés und wartete, bis sie sie aufgeschrieben hatte. Dann fuhr ich fort: »Der Wagen mit den Lebensmitteln steht in einer Parkgarage in der Nähe des Hotels. Ich glaube nicht, daß ich zu Fuß dorthin zurückkehren sollte. Ich glaube, es ist besser, wenn Sie warten, bis es dunkel ist, und mich dann hier abholen und zur Garage fahren. Sobald ich den Mietwagen los bin, muß ich nach Beaulieu.«
»Wie stehts mit den Kleidern?«
»Ich kann mir während der nächsten Stunde das Nötigste
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