Eine Art von Zorn
dann zuckte sie die Achseln.
»So ist es besser«, sagte ich. »Nun, was war in dem Koffer?«
»Ich habe es Ihnen gesagt. Ahmeds Aufzeichnungen.«
»Aufzeichnungen wovon?«
»Von der geheimen Tätigkeit des Komitees.«
»Sie sagten, Sie hätten, indem Sie die Aufzeichnungen aus der Villa mitnahmen, das getan, was Oberst Arbil von Ihnen erwartet hätte. Hätte er auch gewollt, daß Sie sie verkaufen?«
Sie blickte in ihr Glas. Zuerst glaubte ich, sie dächte sich eine Lüge aus. Als sie aber endlich antwortete, wußte ich, daß sie nicht über eine Ausrede nachgedacht hatte, sondern darüber, wie sie mir ihr Verhältnis erklären sollte.
»Sie müssen über Ahmed und mich Bescheid wissen«, sagte sie vorsichtig. »Ich habe ihn wirklich sehr gern gehabt. Es fällt einer Frau nicht schwer, einen attraktiven, reichen, älteren Mann, der sie liebt, sehr gern zu haben, wenn er seinen gesunden Menschenverstand und seine Würde behält und nicht darauf besteht, daß sie ihn auch liebt. Verstehen Sie das?«
»Sanger behauptet, Sie seien verrückt nach ihm gewesen.«
Ungeduldig ging sie darüber hinweg. »Natürlich habe ich Patrick gesagt, daß ich es wäre. Das ersparte mir Erklärungen. Meine Liebe bedeutete für ihn, daß ich in gefühlsmäßiger Hinsicht unzuverlässig und deshalb für ihn nutzlos geworden war.«
»Ich verstehe.« Ich fragte mich, ob Sanger aus lauter Hochachtung vor ihrem schnellen Kopfrechnen ihre Fähigkeiten, auch auf anderen Gebieten berechnend zu sein, nicht wahrgenommen hatte.
»Ich war also mit Ahmed glücklich«, sagte sie. »Er brachte mich zum Lachen, er gab mir das Gefühl, eine Frau zu sein, und er war großzügig. Zwischen uns gab es keine Mißverständnisse. Es war selbstverständlich, daß er eines Tages zu seinem Volk zurückkehren und in der Regierung einen hohen Posten einnehmen würde, vielleicht sogar den höchsten. Eine französische Katholikin als Ehefrau wäre undenkbar gewesen, selbst eine Ehefrau, die ihren Glauben gewechselt hätte. Die Kurden sind da sehr streng.«
»Ja, ich weiß.«
Sie strich ihr Haar aus der Stirn, und ihre Augen begegneten meinen. »Ich glaube, Sie wissen eine Menge über mich.«
Es war eine klare Feststellung; und sie war ernst gemeint.
»Ich weiß, was ich gelesen habe. Ich weiß, was die Sangers mir erzählt haben.«
»Und auch, was Sie selbst gesehen haben.«
»Ja, das auch.«
»Dann haben Sie vielleicht schon erraten, daß Geld für mich etwas Wichtiges ist.«
»Das ist es für die meisten Leute, glaube ich, für die Franzosen aber ganz besonders.«
»Ich meine damit nicht, daß ich jeden Sou umdrehe, bevor ich ihn ausgebe. Ich meine, daß ich schrecklich Angst habe kein Geld zu haben. Mein Vater verlor sein Geschäft, als ich ein Kind war. Es war unmittelbar nach dem Krieg. Ich war damals noch sehr klein, aber ich entsinne mich noch gut, wie entmutigt er und meine Mutter waren.«
»Aber Ihr Vater hat ein neues Geschäft aufgebaut.« »Aber das war nicht mehr dasselbe. Meine Eltern stammten beide aus Arbeiterfamilien. Sie hatten es weit gebracht, und das bedeutete ihnen sehr viel. Sie hatten immer Angst davor, einen Rückschlag zu erleiden. Als ich zu meiner Tante in Menton zog, verstand ich warum. Bei ihr lernte ich, mit den Händen zu arbeiten. Für ein paar Francs in der Stunde zu arbeiten und irgendwann einen Kolonialwarenhändler zu heiraten – das war ihre Vorstellung von einem guten Leben.« Sie machte eine Pause. »Vermutlich halten Sie mich jetzt für einen Snob.« »Manche Kolonialwarenhändler leben doch ganz gut. Aber ich verstehe, was Sie meinen. Es muß ein böser Schlag für Sie gewesen sein, als der Laden in Antibes pleite machte.«
Sie nickte. »Ich habe daraus eine Lehre gezogen. Ein kleiner Laden taugt nichts, wenn nicht viel Geld dahintersteckt, um ihn zu vergrößern. Ahmed und ich haben oft darüber gesprochen. Obgleich er Offizier war, hat er von Geldangelegenheiten sehr viel verstanden. Seine Brüder sind alles Geschäftsleute, wie Sie wissen. Einer ist Konzessionär einer großen amerikanischen Automobilfabrik für den ganzen Irak. Sein Profit ist enorm. Personenwagen, Lastwagen, Bulldozer, Traktoren – für jedes Stück, das im Land verkauft wird, kriegt er Prozente.«
Sie sah wunderschön aus, als sie das sagte, so, als hätte sie ein besonders ergreifendes Kunstwerk beschrieben. Als sie meinen Blick erhaschte, zuckte sie die Achseln. »Natürlich hat er auch große Unkosten.«
Ich lächelte. Sie sah
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