Eine begehrenswerte Lady
weit kommen zu lassen, dass sie mit ihm allein war, würde sie sich nicht darauf verlassen können, dass er ihr keine unerwünschten Avancen machte.
Gut zehn Jahre älter als Charles und die meisten seiner Freunde, war Winthrop wie ihr Ehemann und ihr Halbbruder ein Spieler. Aber anders als Charles und Stanley war er vermögend und eng mit Welbourne befreundet. Sie nahm an, Charles’ Freundschaft mit Winthrop und Canfield war dafür verantwortlich, dass sie heute Abend hier waren.
Sich zu einem Lächeln zwingend, erwiderte Gillian:
»Nein danke.«
Sein Blick glitt über sie, verweilte unangenehm lange auf der Rundung ihres Busens unter der bronzefarbenen Seidengaze, und sie wurde rot, hob ihr Weinglas, setzte es an die Lippen … und benutzte ihren Arm, um sich vor seinem unverschämtem Blick zu schützen.
»Es ist heute Nacht sehr warm … sicherlich benötigen Sie den Schal doch nicht, der nur Ihre Reize verbirgt«, murmelte er ihr zu.
Ärger regte sich in ihr, und mit eisiger Stimme erklärte Gillian:
»Sie sind zu kühn, Mylord. Ich würde es begrüßen, wenn Sie Ihre Ansichten für sich behielten.«
Er lachte, kein bisschen eingeschüchtert.
»Ah, ich mag Damen mit Temperament.« Als Gillian ihn wortlos anstarrte, sagte er halblaut: »Verzeihen Sie, ich war tatsächlich zu kühn.«
Gillian zuckte die Achseln und verspürte den Wunsch, er möge seine Aufmerksamkeit seiner Nachbarin auf der anderen Seite zuwenden und sie in Ruhe lassen. Würde diese endlose Mahlzeit denn gar nicht aufhören?
»Sie sind noch auf keiner Gesellschaft des Herzogs gewesen, oder?«, erkundigte sich Winthrop, nicht im Mindesten von ihrem abweisenden Verhalten eingeschüchtert.
Steif erwiderte sie:
»Nein, das hier ist mein erstes Mal.«
Er lächelte.
»Ihr erstes Mal … nun, wollen wir hoffen, dass Sie es als denkwürdig in Erinnerung behalten. Ich werde jedenfalls alles in meiner Macht Stehende tun, um dafür zu sorgen, dass Ihr Aufenthalt rundum erfreulich für Sie wird.«
Seine Worte und sein Lächeln steigerten ihr Unbehagen nur, und sie sah sich auf der Suche nach etwas Ablenkendem um. Aber alle waren zu sehr damit beschäftigt, sich zu unterhalten, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als sich wieder Winthrop zuzuwenden.
»Haben Sie schon an vielen dieser … dieser Hausgesellschaften teilgenommen?«
»Oh ja. Oft sogar. Man weiß nie, welche … Genüsse Welbourne für uns bereithält.«
Mit dem Gefühl, als sprächen sie über zwei verschiedene Dinge, erwiderte Gillian rasch:
»Und die Herzogin? Nimmt sie auch manchmal teil?«
Winthrop warf seinen Kopf mit den mit Silber durchzogenen Haaren in den Nacken und lachte.
»Ach, meine Süße, Sie sind niedlich. Wo hat Charles Sie nur gefunden?«
Ihre Finger schlossen sich fester um ihr Weinglas, und sie entschied, dass sie Seine Lordschaft nicht leiden konnte … und auch die ganze Hausgesellschaft des Herzogs gefiel ihr nicht. Sie wollte nach Hause. Jetzt sofort.
Vielleicht , überlegte sie unglücklich , hat Charles recht, und ich bin eine Landpomeranze . Auf jeden Fall fühlte sie sich in so mondäner und welterfahrener Gesellschaft restlos unwohl.
Als erriete er, dass sie das Zimmer am liebsten fluchtartig verlassen hätte, erklärte Winthrop:
»Verzeihen Sie – ich sehe, dass ich mit meinen Bemerkungen zu frei war. Dafür entschuldige ich mich.« Als Gillian nickte und den Blick abgewandt hielt, murmelte er: »Kommen Sie, ich habe mich entschuldigt. Wollen Sie nicht einlenken und mir ein wenig Konversation gewähren?«
»Ich bezweifle, dass meine Gesprächsthemen Sie interessieren könnten«, erwiderte sie leise.
»Wie wollen Sie das wissen, ohne mir die Gelegenheit gegeben zu haben?«
Sie blickte ihn scharf von der Seite an und fragte sich, ob seine Worte eine versteckte Bedeutung enthielten, aber seine Miene zeigte nur höfliches Interesse.
»Lassen Sie uns mal sehen, über welches Thema würden Sie sich gerne unterhalten?«, fragte er. »Mode? Die jüngsten Gerüchte, die in der guten Gesellschaft die Runde machen? Oder sind Sie eher ein Blaustrumpf und ziehen es vor, über Bücher und Musik zu sprechen? Ah, vielleicht auch das traurige Los von König Louis und seiner hübschen Königin Marie Antoinette?«
Auf Gillians anderer Seite saß ein Mann mit rotem Gesicht, einer der wenigen Männer unter den Anwesenden, der gepudertes Haar trug, der nun ausrief:
»Allerdings, die Lage in Frankreich sollte uns alle mit tiefster Sorge erfüllen.« Er
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