Eine besondere Herzensangelegenheit
dagegen, ihn einfach gehen zu lassen, aber ich wusste genau, dass es nicht gutgehen konnte, wenn er meinetwegen alles aufgab. Wir kannten uns erst ein paar Wochen, wie konnte ich da verlangen, dass er bleiben sollte?
»Ich denke«, sagte ich mit belegter Stimme und sah ihm fest in die Augen, »ich denke, es ist besser, wenn du gehst.«
Eine Weile herrschte Stille.
»Gut«, sagte Sebastian schließlich tonlos und stand auf. »Dann weiß ich jetzt, was du denkst. Ich werde dich nicht mehr anrufen.«
Er ging langsam auf die Tür zum Flur zu.
Ich wollte aufspringen und ihn zurückhalten, aber ich schaffte es nicht. Ich saß nur regungslos da und starrte ihm hinterher.
Bevor er das Zimmer verließ, drehte er sich noch einmal kurz zu mir um. »Wenn du es dir doch noch anders überlegst, ich bin noch bis Mittwochabend hier. Dann fahre ich nach Frankreich und unterschreibe den Kaufvertrag. Mach’s gut, Isabelle.«
Ich sagte nichts. Selbst als ich hörte, wie meine Wohnungstür hinter ihm ins Schloss fiel, starrte ich nur ins Leere.
Ich schaffte es nicht einmal, zu weinen.
Kapitel 29
Diesmal war ich diejenige, die mit Sonnenbrille über den verquollenen Augen zur Arbeit kam. Ich fühlte mich leer und irgendwie innerlich hohl, während ich mechanisch meine Aufgaben abarbeitete.
Sogar Lina, die normalerweise das Feingefühl eines Tyrannosaurus Rex besaß, sah mich nur mitleidig an, fragte aber nicht nach, was passiert sei. Und nicht einmal ein Anschlag von Zinkelmann mit Chili-Gummibärchen aus dem Knallbonbon , der ausgerechnet Rolf traf, konnte mich aufheitern.
Den ganzen Dienstag über redete ich mit kaum jemandem ein Wort. Erst am Mittwochvormittag, als ich Lina beim Kaffeeholen über den Weg lief, wagte sie es, mich anzusprechen.
»Du Ärmste siehst ja ganz schön mitgenommen aus«, bemerkte sie, wobei sie tatsächlich einen mitfühlenden Ton anschlug. »Geht es um einen Mann?«
Inzwischen schien sich herumgesprochen zu haben, dass meine Vorliebe für Frauen ein doch nicht haltbares Gerücht gewesen war. Ich nickte, sagte aber nichts dazu.
»Hätte ich mir ja auch denken können.« Lina schnaubte verächtlich. »Männer sind doch alle Schweine!«
Ich schüttelte den Kopf. »Der nicht. Genau das ist ja das Problem.«
Je mehr Zeit seit meinem letzten Gespräch mit Sebastian verging, umso mehr zweifelte ich an meiner Entscheidung. Immer wieder erwischte ich mich bei dem Wunsch, ich wäre egoistischer gewesen und hätte ihn gebeten, bei mir zu bleiben.
Aber jedes Mal sagte ich mir, dass ich richtig gehandelt hatte. Ich hatte kein Recht dazu, seinen Traum zu zerstören. Oder doch?
Am Mittwoch wurde es noch schlimmer. Noch war Zeit, Sebastian zurückzuhalten. Er hatte mir gesagt, dass er an diesem Abend in Richtung Frankreich aufbrechen wollte. Immer wieder sah ich auf die Uhr und rechnete unwillkürlich aus, wie viel Zeit mir noch blieb.
In der Mittagspause war ich schon fast soweit, die Arbeit für diesen Tag hinzuschmeißen und zu ihm zu fahren, aber in letzter Minute fehlte mir dann doch der Mut.
Es gab nur eine vernünftige Möglichkeit, beschloss ich schließlich. Ich musste mit jemandem reden, der mir half, eine Entscheidung zu treffen. Und da kam eigentlich nur Mona infrage.
Daher machte ich ganz pünktlich Schluss mit der Arbeit, setzte mich in mein Auto und fuhr zu ihr nach Hause. Auf dem Weg war ich schon wieder etwas zuversichtlicher. Ich hätte gleich mit ihr reden sollen, dachte ich. Sie konnte mir die Entscheidung zwar nicht abnehmen, aber Mona war schon immer sehr gut darin gewesen, genau die richtigen Fragen zu stellen, sodass mir selbst klar werden würde, was ich eigentlich wollte. Außerdem war sie die perfekte Zuhörerin.
Als ich in die Straße einbog, in der Monas kleines Reihenhaus lag, sah ich schon den Rettungswagen, der vor dem Haus stand.
Es ist sicher etwas bei einem der Nachbarn , versuchte ich mich selbst zu beruhigen. Mona hatte mir erzählt, dass zwei Häuser weiter eine alte Frau wohnte, die in letzter Zeit immer schusseliger wurde. Deshalb hatte die gesamte Nachbarschaft ein Auge auf sie. Es war zwar nicht unbedingt fair, aber ich hoffte, dass der Rettungswagen ihretwegen da war.
Bitte, lass Mona nichts passiert sein , flehte ich im Stillen, während ich an den Straßenrand fuhr und den Motor abstellte. Doch als ich Tobias entdeckte, der mit besorgtem Gesicht mit einem der Sanitäter sprach, wusste ich schon, dass mein Bitten nicht erhört werden
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