Eine bezaubernde Erbin
sprach. Sie konnte die Worte kaum hören, wurde ihre Aufmerksamkeit doch völlig von der Bewegung ihrer Lippen beansprucht. Aber sie war sich einer Sache ganz sicher: Völlig egal, was diese Frau wollte, niemandem würde es je etwas ausmachen.
„Nein, natürlich nicht.“
„Ich bin Mrs Townsend. Und diese hübsche junge Dame hier ist meine Schwester, Miss Fitzhugh.“
Erst als Mrs Townsend ihre Gefährtin vorstellte, bemerkte Millie, dass noch jemand neben ihr stand. Es war eine große, schlanke Rothaarige, die auf ihre eigene Weise auch durchaus hübsch war.
„Es freut mich, Sie beide kennenzulernen“, erklärte Millie, noch immer ganz geblendet von Mrs Townsends Schönheit.
„Sie sind mit meinem Zwillingsbruder verlobt“, sagte Miss Fitzhugh, die wohl bemerkt hatte, dass Millie ihre Denkfähigkeit völlig verloren hatte.
„Oh, natürlich.“
Er hatte Schwestern. Das wusste Millie. Und jetzt, da sie aus ihrer Benommenheit gerissen worden war, erinnerte sie sich auch daran, dass die Schwestern im Ausland gewesen waren. Miss Fitzhugh war in der Schweiz zur Schule gegangen, und die unvergleichliche Mrs Townsend war mit ihrem Ehemann auf Reisen durch den Himalaya gewesen.
„Mr Townsend und ich haben die Heimreise angetreten, sobald wir vom Tod des Earls erfuhren. Wir sind so schnell wir konnten hergereist, haben den Ärmelkanal aber erst gestern überquert“, erklärte Mrs Townsend, „nachdem wir meine Schwester in Genf abgeholt hatten.“
Auf den ersten Blick hatte Millie Mrs Townsend für so alterslos wie eine Göttin gehalten, aber jetzt sah sie, dass sie tatsächlich noch sehr jung war, kaum älter als zwanzig.
„Und ich bin froh, dass wir uns so beeilt haben“, fuhr Mrs Townsend fort. „Erst als wir hier ankamen, haben wir erfahren, dass das Hochzeitsdatum bereits feststeht.“
Mr Graves, der keinen weiteren Schwiegersohn an die Launenhaftigkeit des Schicksals verlieren wollte, hatte darauf bestanden, dass die Hochzeit stattfand, sobald die Finanzen geregelt waren. Aber Lord Fitzhugh weigerte sich: Er wollte nicht heiraten, solange er noch zur Schule ging. Die Zeremonie war also auf den Tag nach dem Ende des Sommerhalbjahres gelegt worden, in etwas mehr als zwei Wochen.
„Unser Bruder ist ein anständiger junger Mann – der anständigste überhaupt“, fuhr Mrs Townsend fort. „Aber er ist ein Mann und als solcher völlig unwissend, wenn es um Verlobungen und Hochzeiten geht. Außerdem kann er sich von Eton aus um nichts kümmern. Aber jetzt, wo ich wieder da bin, werden wir sofort anfangen. Zunächst mit einem Gartenfest, um Sie unseren Freunden vorzustellen, danach ein Abendessen zur Feier der Verlobung und natürlich ein Ball zu Ihren Ehren, sobald Sie aus den Flitterwochen zurückgekehrt sind. Der Ball wird auf dem Lande stattfinden müssen, da London bis dahin wie leergefegt sein wird.“
Millie hatte geglaubt, sich von allen Illusionen befreit zu haben. Doch sie lag falsch. Eine Hoffnung hatte es in ihrem Herzen noch gegeben: Der Glaube, dass zumindest ein Teil von Lord Fitzhughs Verachtung nicht seine eigene war, sondern die Abneigung seiner Familie gegen diese Ehe widerspiegelte, die er eingehen musste, um die Familie vor dem finanziellen Untergang zu bewahren.
Jetzt, wo sich seine Schwestern als herzlich und hilfsbereit herausstellten und Mrs Townsend anbot, sich ganz hinter Millies Eintritt in die gute Gesellschaft zu stellen, gab es keine falschen Hoffnungen mehr, denen sie sich hingeben konnte.
Diese Ehe würde ihr Ende bedeuten.
Sie konnte nicht fliehen. Sie konnte sich nicht verstecken. Und bis zur Hochzeit waren es nur noch zwei Wochen.
Die Idee entsprang ihrem Kopf wie Athene dem Haupte Zeus‘: perfekt und vollkommen geformt. Millie fragte sich, warum sie nicht schon viel früher darauf gekommen war.
Vielleicht war sie das aber sogar, in all den Tagen und Nächten, seit sie wusste, dass sie die Frau von Lord Fitzhugh werden würde. Vielleicht hatte sie trotz aller Versuche, sich nicht das Schlimmste auszumalen, sich genau darauf vorbereitet.
Mrs Graves erwachte, kurz nachdem Mrs Townsend ihre Pläne für die Feier, das Abendessen und den Ball verkündet hatte. Millies Teilnahme am Gespräch war nicht länger nötig, und so konnte sie ihren Plan genau bedenken und verfeinern, während sie so tat, als lauschte sie der Unterhaltung.
Als sie zur Teezeit zum Pavillon der Eton-Spieler gingen, kam ihr der Weg sehr lang und doch viel zu kurz vor.
Sie bekam nur
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