Eine bezaubernde Erbin
aus einer Quelle. Er fuhr mit seinen Fingern durch ihr Haar und küsste sie wieder.
Erst als er den oberen Knopf ihres Kleides öffnete, wehrte sie sich.
„Still“, murmelte er. „Ich bin ganz vorsichtig.“
„Sie haben Wahnvorstellungen, Lord Fitzhugh! Ich bin nicht Miss Pelham. Ich bin Ihre Ehefrau. Wären Sie bitte so freundlich, mich loszulassen?“
Schockiert kämpfte er sich in eine aufrechte Lage … Himmel, sein Kopf. „Was zum … Warum reden Sie im Dunkeln mit mir?“
„Das letzte Mal, als ich das Licht angemacht hatte, hat es Ihnen in den Augen wehgetan.“
„Dann machen Sie jetzt Licht.“
Es wurde hell, und das Licht schmerzte in seinen Augen, aber er brauchte das Prickeln und das Stechen. Seine Frau war in eine Ecke des Raumes geflüchtet. Wie zur Hölle hatte er sie für Isabelle halten können? Sie hätten gar nicht verschiedener sein können: ihre Größe, ihre Statur, ihre Stimme – einfach alles war anders.
„Vielleicht ist es an der Zeit, sich zu überlegen, ob Sie wirklich so betrunken sein möchten, dass Sie Ihre Frau für Ihre Liebste halten“, sagte sie kalt.
Er legte sich wieder hin. Das Licht der Lampe flackerte in Kreisen, deren Stärke zusehends abnahm, über die Decke. „Es hilft mir zu vergessen.“
„Wozu ist das gut, wenn Sie sich am nächsten Tag nur aufs Neue wieder erinnern müssen?“
Natürlich war es zu nichts gut. Es war eine Schwäche. Sein Vater hätte ein solch unmännliches Verhalten nie gebilligt. Aber sein Vater hatte mit neunzehn Jahren noch alles, wofür es sich zu leben lohnte. Der Rest von Fitz‘ Leben streckte sich endlos und karg vor ihm. Nur der Schmerz war eine Gewissheit: Seine Mitschüler aus Eton würden ihre Kommissionen als Offiziere erhalten, Isabelle würde einen anderen Mann heiraten und dessen Kinder zur Welt bringen.
Was gab es schon, worauf er sich hätte freuen können? Die Dachreparaturen von Henley Park? Genaue Kenntnisse darüber, wie man Sardinen haltbar machte? Lady Fitzhugh, die ihm an zehntausenden Frühstückstischen mit ihrem prüden, missbilligenden Gesichtsausdruck gegenüber saß?
„Dauerhafte Nüchternheit hat keinen Reiz für mich“, sagte er.
Manchmal erstaunte es ihn, dass er auch nur eine Stunde davon ertrug.
„Sie denken nicht immer daran, Ihre Tür zu schließen. Ich habe gesehen, wie Sie sich vor Schmerzen den Kopf halten. Ich habe gehört, wie Sie sich übergeben. Genügt es nicht, dass Ihnen das Herz bricht? Müssen Sie zusätzlich auch noch Ihre Gesundheit ruinieren?“
„Ich werde aufhören, wenn mir danach ist.“
Seine Hand griff schon aus Gewohnheit nach der neuen Whiskyflasche neben ihm, nur um ins Leere zu fassen. Seltsam, selbst wenn er sich ihren Inhalt bereits die Kehle hinuntergekippt hätte, so hätte die Flasche doch noch immer dort sein müssen.
„Ich fürchte, Sie werden früher aufhören müssen“, teilte ihm seine Frau mit. „Ich habe den Whisky entsorgt.“
Verdammtes Weibsstück, was bildete sie sich ein? Er war irgendwie dankbar gewesen, dass sie nicht versucht hatte, ihn aufzumuntern oder sein Trinken einzuschränken. Es war wohl zu schön gewesen, um von Dauer zu sein. Aber das machte nichts, sie hatte eine Flasche geleert, doch er hatte noch immer eine halbe Kiste übrig.
Er hielt sich an der Armlehne des Sofas fest und kämpfte sich auf die Beine. Der aufrechte Gang war zu einem gefährlichen Unterfangen geworden. Beim letzten Mal war er gestolpert und hatte sich die Schulter angeschlagen. Die Risiken, die ein Trunkenbold einging. Ein Trunkenbold, ein Säufer, ein Mann, der seine Sorgen im Alkohol ertränkte – oder es zumindest mit allen Mitteln versuchte.
Er hatte gewöhnlich zehn bis fünfzehn Flaschen im Schrank neben seinem Zimmer gelagert. Der Schrank war leer. Er fluchte. Jetzt musste er sich den ganzen Weg nach draußen schleppen.
Er torkelte schwankend zum Schuppen hinter der Hütte. Er hätte den Whisky nicht so weit entfernt verstaut, wenn er nicht in einer Nacht, in der er Dinge in seinem Raum zertrümmert hatte, mehrere ungeöffnete Flaschen zerschmettert hätte. Am nächsten Tag hatte er den Whisky zum Schutz weggebracht.
Die Kisten standen im Schuppen ordentlich übereinander gestapelt. Die Flaschen glänzten matt. Sein Herz machte vor Erleichterung einen Satz. Er griff eine Flasche am Hals und hob sie an seine ausgedörrten Lippen. Etwas stimmte nicht – sie war zu leicht. Die Flasche war leer. Er warf sie beiseite und zog eine andere Flasche raus.
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