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Eine bezaubernde Erbin

Eine bezaubernde Erbin

Titel: Eine bezaubernde Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Thomas
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Auch die war leer.
    Leer. Leer. Leer.
    Ich habe den Whisky entsorgt.
    Sie war gründlich gewesen.
    Er trat gegen den Kistenstapel und verlor beinahe das Gleichgewicht, stürzte schwer gegen die Schuppenwand.
    „Alles in Ordnung?“, fragte sie mit ihrer blutleeren Stimme von irgendwo hinter ihm.
    Alles in Ordnung? Konnte sie nicht mit eigenen Augen sehen, dass nie wieder alles in Ordnung sein würde?
    Er torkelte aus dem Schuppen. „Ich geh ins Dorf.“
    Er würde sich betrinken, und wenn es ihn umbrachte.
    „In einer halben Stunde wird es stockfinster sein. Und Sie haben keine Ahnung, in welche Richtung Sie gehen müssen.“
    Er hasste ihre Vernunft, ihre anständige Art und ihre dumme Annahme, sie würde ihm helfen .
    „Ich kann Sie nicht davon abhalten, morgen loszugehen. Und ich kann Sie ganz bestimmt nicht davon abhalten, sich auf die nächste Alkohollieferung zu stürzen. Aber für heute Nacht rate ich Ihnen, hier zu bleiben.“
    Er fluchte. Er wandte sich mit unangenehm schlagendem Herzen zurück zum Schuppen und griff sich eine leere Flasche, in der Hoffnung, an ihrem Boden noch einen oder zwei Tropfen zu finden. Aber das Einzige, was vom Alkohol noch übrig war, war der süße Duft.
    Ihre Stimme ertönte erneut, flach und unerbittlich. „Ich weiß, dass für Sie die Welt zusammengebrochen ist, Mylord. Aber das Leben geht weiter und das gilt auch für Sie.“
    Er warf die Flasche gegen die Rückwand des Schuppens. Sie zerbrach nicht, sondern schlug gegen die Wand und landete dumpf auf einen Stapel Leinensäcke. Er stürmte nach draußen, um sie zur Rede zu stellen.
    „Was zur Hölle wissen Sie schon von einer zusammengebrochenen Welt? Das ist das Leben, auf das Sie sich jahrelang vorbereitet haben.“
    Sie sah zu ihm hoch. Die Intensität ihres Blicks in ihrem geradezu nichtssagenden Gesicht war erstaunlich.
    „Denken Sie, Sie sind der Einzige, der durch diese Ehe jemanden verloren hat, den er liebt?“
    Sie versuchte gar nicht erst, ihre kryptische Aussage zu erklären, sondern machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück in die Hütte.
    Am Anfang war es gar nicht so schlimm, nicht schlimmer jedenfalls als der schwere Schädel beim Aufwachen, an den er sich inzwischen gewöhnt hatte. Aber im Laufe des Abends wurden die Kopfschmerzen immer bohrender, wurden erst doppelt so heftig und dann noch einmal so unerträglich. Seine Hände zitterten. Sein Nachthemd war schweißdurchtränkt. Wellen der Übelkeit wühlten sich durch seine Eingeweide.
    Noch nie war es ihm so furchtbar gegangen. Zum ersten Mal in seinem Leben vertrieb sein rein körperliches Elend alles andere aus seinem Kopf – außer den lieblichen, bernsteinfarbenen Nektar, nach dem er sich so verzweifelt sehnte. Er flehte um ein Glas davon, einen Schluck, einen Tropfen. Es musste nicht einmal hochwertiger Whisky sein. Brandy würde ihm genügen, oder Rum, Wodka, Absinth oder sogar ganz gewöhnlicher Gin, die Art, die für den Geschmack mit Terpentin gepanscht war.
    Nicht ein Tropfen kam zu seiner Rettung. Aber von Zeit zu Zeit spürte er vage, dass er nicht allein war. Jemand gab ihm Wasser zu trinken, wischte ihm den Schweiß von der Stirn und hatte vielleicht sogar saubere Laken unter ihm ausgebreitet.
    Irgendwann fiel er in einen unruhigen Schlaf, die Träume voller um sich schlagender Monster und erzwungener Abschiede. Oft schreckte er mit wild klopfendem Herzen hoch, überzeugt davon, er wäre aus großer Höhe herabgestürzt. Jedes Mal ertönte besänftigendes Flüstern an seinem Ohr, das ihn wieder in den Schlaf wiegte.
    Er öffnete seine Augen in einem abgedunkelten Raum und fühlte sich, als hätte er hohes Fieber gehabt: Auf seiner Zunge lag ein bitterer Geschmack, seine Muskeln waren geschwächt, und sein Kopf fühlt sich völlig zerschlagen an. Laken waren vor das Fenster gehängt worden, wodurch er nicht abschätzen konnte, wie spät es war. Eine Kerosinlampe warf dunkles orangefarbenes Licht auf die Wände. Und war das – er blinzelte mit seinen schmerzenden, trockenen Augen – ein großer Strauß Gänseblümchen in einem Tonkrug? Tatsächlich, kleine Gänseblümchen mit strahlend weißen Blüten und gelben Punkten, die wie die Sonne leuchteten.
    Hinter den Gänseblümchen schlief seine Frau auf einer Fußbank. Ihr hellbraunes Haar hing zu einem Zopf geflochten über ihre Schulter.
    Als er sich in eine sitzende Position hochstemmte, sah er, dass auf dem Boden neben seinem Lager ein Tablett mit einer dickbauchigen Teekanne,

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