Eine bezaubernde Erbin
gebutterten Brotscheiben, einer Schüssel mit Trauben und zwei gekochten und bereits geschälten Eiern stand, die mit einem sauberen, weißen Taschentuch zugedeckt waren.
„Ich fürchte, der Tee ist schon kalt“, ertönte eine Stimme, als er nach der Kanne griff.
Der Tee war tatsächlich schon kalt. Aber er war so durstig, dass es ihm fast nichts ausmachte. Und er war so hungrig, dass das leichte Unwohlsein ihn nicht davon abhielt, alles in seiner Reichweite Befindliche zu essen.
„Wie haben Sie es geschafft, Tee aufzubrühen?“ Eine feine Dame schenkte in ihrem Salon vielleicht Tee an ihre Gäste aus, aber sie brühte ihn nie selbst auf. Und mit Sicherheit wusste sie nicht, wie man das Feuer für den Kessel entzündete.
„Es gibt hier einen Spirituskocher und ich habe gelernt, wie man ihn benutzt.“ Sie trat vor, nahm das Tablett von seinem Schoß, nachdem er aufgegessen hatte, und betrachtete ihn, als sei er ein schiffbrüchiger Fremder, der vor ihr an Land gespült worden war. „Sie sollten noch etwas ruhen.“
Sie war schon fast draußen, als ihm wieder seine Frage von eben einfiel: „Warum stehen dort Gänseblümchen?“
„Die Kamille?“ Sie blickte zu dem unordentlichen Strauß. „Ich habe gehört, dass Kamillentee beim Einschlafen hilft. Ich habe keine Ahnung, wie man Kamillentee kocht, also hoffe ich, dass Ihnen ihr Anblick gefällt.“
Die Kamillenblüten waren so grell, dass sie ihm in den Augen wehtaten. „Das kann ich nicht gerade behaupten, aber danke.“
Sie nickte und ließ ihn allein.
Die Nacht brach herein. Ohne es zu merken, hatte Fitz fast den ganzen Tag verschlafen. Es war zu spät, jetzt noch loszugehen, das Dorf zu finden und sich mit Whisky einzudecken. Aber selbst wenn er noch genügend Tageslicht zur Verfügung gehabt hätte, so war er doch noch immer zu erschöpft, um den Fußmarsch anzutreten.
Hätte er allerdings gewusst, dass die zweite Nacht genauso fürchterlich werden würde wie die erste, dann hätte er den Versuch wohl gewagt. Die Kopfschmerzen kehrten mit voller Wucht zurück. Auch das Zittern, Herzrasen und die Übelkeit traten wieder auf. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis ihn die Erschöpfung übermannte. Er schlief, während er sich an einer Hand festhielt, die nicht seine war.
Die dritte Nacht verlief viel besser, er schlief tiefer und träumte nicht. Und als er mit mehr oder weniger klarem Verstand aufwachte, war es Morgen und nicht Nachmittag oder Abend wie zuvor.
Das Laken verdeckte noch immer das Fenster. Er hielt sich zum Schutz eine Hand vor die Augen, zerrte das Betttuch herunter, und Licht strömte in den Raum. Was die Sonne erhellte, war kein schöner Anblick. Die Wände waren mit tiefen Kratzern überzogen, als wäre ein wildes Tier mit Krallen und Stoßzähnen hier eingesperrt gewesen und hätte verzweifelt versucht zu entkommen. Er fuhr mit den Fingern über einige der raueren Furchen, ein wenig überrascht, dass er zu solchen Gewaltausbrüchen fähig war.
Der Kamillenstrauß stand noch immer da und verbreitete trotz der hängenden Köpfe eine gewisse Fröhlichkeit. Seine Frau war hingegen verschwunden. Allerdings hatte sie eine weitere Kanne mit kaltem Tee zurückgelassen. Da es ihm so gut ging, dass er ohne Hilfe umherlaufen konnte, verließ er sein selbstgewähltes Gefängnis, um den Spirituskocher zu suchen, den sie erwähnt hatte.
Er fand ihn, aber der Brennspiritus war aus. Also entfachte er in der offenen Herdstelle ein Feuer, pumpte draußen auf dem Hof Wasser in den Kessel und brachte es zum Kochen. Das Erste, was man in Eton lernte, war, Tee, Rühreier und gebratene Würstchen für die älteren Schüler zuzubereiten. Während das Wasser sich erwärmte, steckte er Brotstücke auf eine Grillgabel.
Als Tee und Brot fertig waren, war Lady Fitzhugh immer noch nirgendwo zu sehen.
Er ging sie suchen und fand sie in ihrem Bett. Noch angezogen – samt Stiefeln – schlief sie mit dem Gesicht nach unten auf ihrer Bettdecke, die Arme an ihren Seiten, als hätte sie sich einfach vom Fußende aus auf das Bett fallen lassen.
Er wollte nicht spionieren, aber als er sich zum Gehen wandte, fiel sein Blick auf einen halb fertigen Brief auf ihrem Schreibtisch. Er war an seine Schwestern gerichtet.
Liebe Mrs Townsend, liebe Miss Fitzhugh,
vielen Dank für Ihr freundliches Schreiben letzte Woche. Ich entschuldige mich für unsere verspätete Antwort: Ihr Brief erreichte uns erst vor drei Tagen mit unserer halbwöchentlichen Lieferung aus
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