Eine bezaubernde Erbin
Hall College beginnen. Nachdem sie ihre Schwester zum College in Oxford begleitet hatte, würde Mrs Townsend nach Hampton House weiterfahren, wo sie ihre Kindheit verbracht und das Lord Fitzhugh ihr zur Verfügung gestellt hatte.
„Sind Sie sicher, dass Sie nicht mit uns nach Henley Park kommen wollen, Mrs Townsend?“, fragte Millie ein letztes Mal. Sie und Lord Fitzhugh hatten versucht, Mrs Townsend davon zu überzeugen, mit ihnen auf das Anwesen zu kommen, das er mit seinem Titel geerbt hatte – ohne Erfolg.
„Ich habe Ihnen und Fitz schon genug Kummer bereitet“, sagte Mrs Townsend. „Aber danke, Millie. Darf ich Sie Millie nennen? Und ich denke, wir sollten dann du sagen.“
„Ja, natürlich.“ Millie war ganz aufgeregt, dass Mrs Townsend um diese informellere Anrede bat.
„Und du wirst mich Venetia nennen, nicht wahr?“
„Und mich kannst du Helena nennen“, sagte Miss Fitzhugh. „Wir sind ja jetzt Schwestern.“
Um nur ja nicht die Fassung zu verlieren, sah Millie auf ihre Hände. Ihr war beigebracht worden, von ihren Schwägerinnen keine vertraute Nähe zu erwarten, da sie sicherlich bei dem Gedanken, mit der Sardinenerbin verwandt zu sein, die Nase rümpfen würden. Aber Mrs Townsend und Miss Fitzhugh – Venetia und Helena – waren von Anfang an hilfreich und zuvorkommend gewesen.
„Ich … hatte nie Schwestern.“ Sie fürchtete, dass sie schrecklich unbeholfen klang. „Oder andere Geschwister.“
„Du Glückliche. Das heißt, dir hat nie jemand erzählt, man hätte dich in einem Körbchen unter einem Apfelbaum gefunden, als deine Eltern auf dem Land spazieren gegangen waren.“ Helena sah Venetia an und hob eine Augenbraue. „Oder dass du, wenn du schwarze Nahrungsmittel zu dir nimmst, ebenso schwarze Haare bekommst wie alle anderen.“
Venetia schüttelte den Kopf. „Nein, das war Fitz. Er wollte, dass du die Brombeeren isst, damit er mehr Himbeeren abbekam. Niemand hätte je gedacht, dass du Sepiatinte essen würdest.“
Millie lauschte erstaunt diesem seltsamen Schauspiel von Kameradschaft zwischen Kindern, die im selben Haushalt aufgewachsen waren. Die Wärme dieser Unterhaltung wirkte noch in ihr nach, als sie und Lord Fitzhugh im privaten Eisenbahnwaggon ihrer Eltern nach Henley Park fuhren.
Dieses Mal war er es, der ein Buch las – Edward Gibbons Verfall und Untergang des Römischen Imperiums, Band IV – und sie, die aus dem Fenster starrte. Die meiste Zeit jedenfalls. Manchmal betrachtete sie ihn verstohlen.
Er hatte noch nicht das Gewicht zurückgewonnen, das er in den drei Wochen des Vollrausches verloren hatte. Seine Kleidung hing noch immer lose an ihm, seine Augen saßen tiefer in ihren Höhlen, und seine Wangenknochen traten stärker hervor. Aber er wirkte nicht mehr krank, nur schmal und melancholisch. Sein kurz geschorenes Haar verlieh ihm eine gewisse Strenge, die ihn für sein Alter zu ernst erscheinen ließ.
Er legte das Buch weg, griff in seine Tasche und was er hervorholte, war …
„Ist das eine Haselmaus?“
Er nickte. „Das ist Alice.“
Alice war winzig, hatte ein hübsches gold-braunes Fell und neugierige, schwarze Augen. Er gab ihr eine kleine Haselnuss, an welcher sie begeistert knabberte.
„Sie wird fett“, sagte er. „Wird wahrscheinlich noch diese Woche mit dem Winterschlaf beginnen.“
„Gehört sie Ihnen? Ich habe sie noch nie zuvor gesehen.“
„Ich habe sie seit drei Jahren. Hastings hat sich in letzter Zeit um sie gekümmert. Ich habe sie gerade erst zurückbekommen.“
Millie war entzückt. „Haben Sie sie selbst gefunden?“
„Nein, sie war ein Geschenk von Miss Pelham.“
Isabelle Pelham. Millies Lächeln gefror. Zum Glück sah er sie nicht an, seine ganze Aufmerksamkeit galt Alice.
Kein Wunder, dass er Alice nicht mit in die Flitterwochen genommen hatte.
„Sie sieht bezaubernd aus“, brachte Millie heraus.
Er streichelte das Fell auf Alices Kopf. „Sie ist perfekt.“
Er bot Millie nicht an, Alice zu halten. Und sie bat ihn nicht darum.
Es war nicht leicht, nüchtern zu bleiben.
In manchen Nächten, in denen er nicht schlafen konnte, wenn ihm Isabelle so sehr fehlte, dass er kaum atmen konnte, dachte Fitz an all die Dinge, die ihm helfen würden: Whisky, Laudanum, Morphium. Er dachte ganz besonders oft an Morphium, die liebliche Abgestumpftheit, die es bringen würde, das lange Vergessen.
Im Haus gab es solche Dinge. Er hatte sie gesehen, als er Henley Park zum ersten Mal begutachtet hatte. Also verließ er
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