Eine bezaubernde Erbin
einzuwenden, sich eine Bank in der Kutsche zu teilen. Aber wenn sie in einem Gefährt allein waren, saß er immer mit dem Rücken in Fahrtrichtung, eine stumme Bekräftigung des Umstands, dass er nicht wirklich ihr Ehemann war.
Er legte ihr einen Arm um die Schultern. Seine Nähe, an die sie sich nie gewöhnt hatte, war jetzt fast unerträglich. Sie wollte die Tür der Kutsche aufreißen und hinausspringen. Nur weil sie zugestimmt hatte, ihren Pakt zu ehren, hatte er kein Recht, sie anzufassen, bevor es so weit war.
„Sei nicht verärgert, Millie. Etwas Wunderbares könnte hieraus entstehen: Wir könnten ein gemeinsames Kind haben.“ Seine andere Hand ruhte auf ihrem Arm und die Wärme seiner Handfläche schien sich durch den Stoff des Ärmels in ihre Haut zu brennen. „Ich habe dich nie gefragt: Hättest du lieber einen Jungen oder ein Mädchen?“
„Ich weiß es nicht.“
„Du wirst eine wundervolle Mutter sein, gütig, aber streng, aufmerksam, aber nicht zu einengend. Jedes Kind hätte wirklich großes Glück, dich zur Mutter zu haben.“
Ein Teil von ihr, ganz gleich wie klein, ganz gleich wie zaghaft, hatte immer gehofft, der Vollzug ihrer Ehe, wenn sie sich endlich liebten, wäre die letzte alchemistische Zutat, die ihrer Freundschaft Flügel verleihen würde. Aber jetzt diente es nur einem biologischen Zweck. Ihre Freundschaft blieb auf dem Boden und würde niemals fliegen.
Die Kutsche hielt vor dem Stadthaus der Fitzhughs an. Sie schob ihn von sich und stieg hastig aus.
KAPITEL 7
Alice
1888
Der Tod von Fitz‘ Schwager Mr Townsend stellte sich als ziemlich komplizierte Angelegenheit heraus.
Millie war ihm nur zwei Mal begegnet, beim Abendessen zu ihrer Verlobung und während des Hochzeitsfrühstücks. Beide Male war sie innerlich aufgewühlt gewesen, und sie hatte nur einen sehr oberflächlichen Eindruck von dem gutaussehenden, stolzen Mann erhalten.
Sie war erschüttert, als sie von seinem Tod erfuhr, aber noch erschreckender waren die Umstände seines Todes: Er hatte sich mit einer Überdosis Chloral umgebracht. Noch schlimmer war, dass er, ohne dass seine Frau davon etwas geahnt hatte, bankrott war. Sein gesamter Besitz hatte veräußert werden müssen, um seine Gläubiger zu besänftigen, darunter auch ein Stück Land, das Mrs Townsend von ihren Eltern geerbt hatte.
Millie hatte geglaubt, dass die Schönheit ihrer Schwägerin sie wie ein mächtiger Talisman vor solchen Unbilden schützen würde und dass sie auf den Zwillingswellen von Liebe und Freude sanft durch das Leben gleiten konnte. Aber das stimmte nicht. Das Unglück zögerte bei niemandem, nicht einmal bei einer Frau, die so wunderschön war wie Aphrodite selbst.
Mrs Townsend war in der Zeit nach dem Tod ihres Ehemannes vor Schock völlig benommen, und Millie und Miss Fitzhugh halfen ihr so gut sie konnten. Sie stellten sicher, dass sie genug aß, nahmen sie auf Ausflüge mit, damit sie nicht die ganze Zeit in ihrem sonnenlosen Salon allein war, und leisteten ihr manchmal auch in diesem sonnenlosen Salon Gesellschaft. Dann hielt Miss Fitzhugh die Hand ihrer Schwester, und Millie saß auf einem Stuhl daneben und bestickte ein Stück Stoff nach dem anderen.
Die ganze Zeit über war Lord Fitzhugh wie ein Fels in der Brandung. Der untröstliche Trinker war verschwunden. Jeden Tag saß er bei seiner Schwester, während sie Mr Townsends Angelegenheiten regelten, der Inbegriff von Rücksicht und Vernunft – und wenn nötig auch Entschlossenheit. Fast wäre es zu einer amtlichen Untersuchung des Todes gekommen, die aus dem persönlichen Verlust ein öffentliches Spektakel gemacht hätte. Seine unnachgiebige Haltung dem Polizeiinspektor gegenüber gab den Ausschlag. Schließlich akzeptierte die Polizei die Erklärung, dass Mr Townsend eine Hirnblutung erlitten hatte.
Sie blieben sechs Wochen in London, bis alle Angelegenheiten rund um Mr Townsends Besitz geregelt waren. Es war eine dunkle Zeit, aber es gab ein paar Momente, die Millie teuer waren. Wie Miss Fitzhugh Lord Hastings nachahmte und ihre Schwester damit zum Lachen brachte, wenn auch nur kurz. Wie Lord Fitzhugh und Mrs Townsend zusammen saßen und er ihr den Arm um die Schultern gelegt hatte und ihr Kopf an seiner Schulter ruhte. Wie Mrs Townsend eines Tages Millies Hand ergriff und sagte: „Sie sind eine wunderbare Frau, meine Liebe.“
An dem Tag, als sie London verließen, tranken die Frauen zusammen Tee. Miss Fitzhugh würde in Kürze ihren Unterricht am Lady Margaret
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