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Eine bezaubernde Erbin

Eine bezaubernde Erbin

Titel: Eine bezaubernde Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Thomas
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können, doch sie beide wussten, dass Mrs Graves nicht mehr viel Zeit blieb. Sie wischte sich die Tränen weg. „Es ist nicht gerecht. Du solltest so lange leben wie die Königin.“
    „Liebes, ich habe ein wundervolles, beneidenswertes Leben geführt. Dass es etwas kürzer ist, als ich gehofft hatte, ist kein Grund, sich zu beschweren.“
    Sie hustete. Millie gab ihr drei weitere Löffel Wasser. Ihr Atem ging schwer, aber sie lehnte mit einer Handbewegung das Tonikum ab, das Millie ihr anbot. „Nein, Liebes, das einzig Ungerechte hier ist das, was dein Vater und ich von dir verlangt haben – dass du dein eigenes Glück aufgibst, damit wir einen Enkel haben können, der eines Tages ein Earl sein wird.“
    „Ich bin nicht unglücklich.“ Millie zögerte. Sie hatte das Geheimnis ihres Herzens nie laut ausgesprochen. „Ich möchte keinen anderen als Fitz zum Ehemann haben.“
    Mrs Graves lächelte. „Er ist ein wundervoller junger Mann.“
    „Der Beste – wie du, Mutter.“
    Mrs Graves berührte Millies noch immer tränennasse Wange. „Erinnerst du dich an das, was ich vor ein paar Jahren gesagt habe? Kein Mann hat mehr Glück als der, der dich zur Frau hat. Eines Tages wird er das verstehen.“
    „Wirklich?“
    Aber Mrs Graves Arm erschlaffte. Sie war wieder bewusstlos und verstarb am späten Nachmittag desselben Tages.
    Fitz war bei Millie. Er küsste sie auf die Stirn. „Es tut mir so leid.“
    Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. „Es war zu früh. Sie war die Letzte aus meiner Familie.“
    Er reichte ihr sein Taschentuch. „Unsinn. Ich bin deine Familie. Und jetzt ruh dich aus, du hast seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen.“
    Ich bin deine Familie . Sie starrte ihn mit verschwommenem Blick an. „Ich habe dir nicht einmal dafür gedankt, dass du mir mehr Zeit mit meiner Mutter gegeben hast.“
    „Du musst mir für nichts danken“, sagte er fest. „Es ist mir eine Ehre, mich um dich zu kümmern.“
    Ihr Blick wurde noch verschwommener. „Danke.“
    „Hab ich nicht gerade gesagt, dass du mir nicht danken sollst?“
    Sie brachte ein kleines Lächeln zustande. „Ich meinte, dafür, dass du das gesagt hast.“
    Er erwiderte ihr Lächeln. „Ruh dich aus. Ich kümmere mich um alles.“
    Er verließ den Raum, um mit Mrs Graves‘ Butler zu sprechen. Sie lehnte am Türrahmen und sah ihm nach, während er die Treppen hinunterging.
    Ich bin froh, dass du es bist.

KAPITEL 14
    1896
    Fitz hatte die Räume der Hausherrin nicht mehr betreten, seit er nach Antritt seines Erbes zum ersten Mal durch das Stadthaus gegangen war. Seit damals hatte es viele Renovierungen gegeben, die aus einer heruntergekommenen Bruchbude ein freundliches, gemütliches Zuhause gemacht hatten. Ihre Ehe konnte er Bodendiele für Bodendiele und Ziegel für Ziegel nachvollziehen.
    Selbst jetzt fanden noch Umbaumaßnahmen statt. Die Bewässerung der Lavendelbeete war im Frühling verbessert worden, für den Küchengarten hatten sie einen zweiten Bienenstock in Auftrag gegeben – das Stadthaus sollte eine genau Abbildung ihres Anwesens auf Henley Park werden. Es fanden auch wieder Renovierungsarbeiten in den Dienstbotenquartieren statt, die erst vor vier Jahren rundum erneuert worden waren.
    Millies Zimmer war hell und hübsch, und an den Wänden hingen Tapeten, die so freundlich grün waren wie eine frisch geschnittene Sommerwiese. Formschnitte in Blumentöpfen standen zu beiden Seiten des Kamins. Darüber hing ein Landschaftsgemälde, das ihm vage vertraut vorkam – nicht das Gemälde an sich, sondern die Landschaft.
    Sie stand in der Mitte des Raumes, noch immer in ihrer Abendgarderobe, den Fächer vor sich wie ein gefiederter Brustpanzer. Sie blickte zu ihm hinüber, gab aber mit keinem Wort und keiner Geste zu verstehen, dass sie seine Anwesenheit wahrgenommen hätte.
    Er wollte sie nicht noch nervöser machen, als sie es ohnehin schon war. Statt sich ihr zu nähern, durchquerte er den Raum, um sich das Bild genauer ansehen zu können. „Ist das der Comer See?“
    „Ja.“
    Sein Blick fiel auf das Kaminsims, worauf eine Reihe eingerahmter Fotografien stand, die in vergangenen Sommern während der Hausgesellschaften auf ihrem Landsitz aufgenommen worden waren. In jeder Fotografie waren sie beide abgebildet, aber nie allein: manchmal waren sie Teil einer großen Gruppe, manchmal waren ihre Mutter oder seine Schwestern mit dabei.
    Am Ende des Kaminsimses stand ein weiterer vertrauter Gegenstand. „Ist das die

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