Eine bezaubernde Erbin
sich auf das Bett. Er würde etwas dösen, aber noch nicht jetzt, nicht, ehe er nicht diese unerwünschte Lust erforscht hatte, die so plötzlich von ihm Besitz ergriffen hatte.
Er würde sich also jetzt erlauben, sich nicht nur an das zu erinnern, was letzte Nacht geschehen war, sondern sich auch auszumalen, was in weniger als vier Jahren geschehen würde, wenn sie nackt und willig unter ihm liegen würde.
Nur dieses eine Mal.
„Fitz, bist du da?“ Millie klopfte laut an die Tür. Es war zehn Uhr, zweieinhalb Stunden seit sie ihn allein gelassen hatte. „Wach auf, ich muss mit dir reden.“
„Ich schlafe nicht, ich bade. Was ist los?“
„Meine Mutter …“ Sie schluckte. „Ist krank.“
„Moment. Ich bin sofort bei dir.“
Millie sah wieder auf das Telegramm in ihrer Hand.
Sehr geehrte Lord und Lady Fitzhugh,
mit Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass Mrs Graves erkrankt ist. Sie wünscht, Sie dringend zu sehen. Bitte kehren Sie so bald, wie es Ihnen möglich ist, nach London zurück.
Ergebenst Ihr
G. Goring
Sie konnte es nicht glauben. Nicht auch noch ihre Mutter – sie war viel zu jung. Aber Mr Goring, Mrs Graves persönlicher Anwalt, hätte ihnen nicht telegrafiert, wenn es nicht ernst wäre.
Fitz öffnete die Tür. Das Hemd klebte an seiner Haut, und er trocknete sich noch mit einem Handtuch die Haare. Die eben erst verlassene Badewanne war halb hinter dem Wandschirm zu sehen.
Er nahm ihr das Telegramm aus der Hand und überflog es. Als er es ihr zurückgab, warf er das Handtuch beiseite und zog ein Buch mit Abfahrplänen aus seiner Tasche.
„Von Gorlago fährt in drei Stunden ein Zug ab. Wenn wir sofort in einer schnellen Kutsche losfahren, könnten wir ihn noch erwischen.“
Sie waren dreißig Kilometer von Gorlago entfernt. Die Straße war zwar gut ausgebaut, aber schmal und an manchen Stellen sehr steil. Drei Stunden schienen ihr eine sehr optimistische Schätzung.
Sie widersprach nicht.
„Bridget soll unsere Sachen packen, aber wir nehmen die Koffer nicht mit. Sie würden uns nur behindern. Sag dem Gastwirt, er soll uns das Gepäck nachschicken. Nimm nur das mit, was du selbst tragen kannst. Ich suche uns eine schnelle Kutsche. Wenn ich zurück bin, sollten wir abfahrbereit sein.“
Er kehrte eine Viertelstunde später in einer leicht gefederten Kalesche und mit einem etwa elfjährigen Jungen zurück. Millie stieg mit einem Picknickkorb ein, Bridget folgte ihr mit einer Reisetasche mit Kleidung zum Wechseln für sie alle.
„Wo ist der Kutscher?“
Er schnalzte mit den Zügeln, und die Pferde trabten los. „Ich fahre.“
„Aber du kennst den Weg doch gar nicht. Und wer soll die Pferde wechseln?“
„Dafür ist dieser junge Herr zuständig – er sagt uns, wo es lang geht. Und wenn wir in Gorlago sind, wird er dort bei den Pferden und der Kutsche bleiben, bis sein Onkel sie abholt. Er ist dreißig Kilo leichter als sein Onkel, also habe ich mich für ihn entschieden.“
Das geringe Gewicht des Jungen und ihr Mangel an Gepäck waren ausschlaggebend – genauso wie die Tendenz der italienischen Eisenbahn zu Verspätungen. Sie erreichten den Bahnhof in Gorlago zehn Minuten nach der geplanten Abfahrt des Zuges über Bergamo nach Mailand, hatten gerade noch genug Zeit, die Fahrkarten zu kaufen und in den Zug zu steigen – Fitz, der als Letzter einstieg, musste rennen und auf die Stufen springen.
Am Nachmittag kamen sie in Mailand an. Und dank des modernen Wunders des Mont-Ceni-Tunnels, fuhren sie zwanzig Stunden später mit dem Zug in Paris ein. Jetzt mussten sie nur noch nach Calais und den Ärmelkanal überqueren.
Jemand rüttelte Millie sanft an der Schulter. „Heißluftballons – willst du sie sehen?“
Millie öffnete die Augen. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie eingenickt war.
Sieben oder acht Heißluftballons standen auf einem offenen Feld, und die meisten der Ballons waren noch schlaffe, farbenfrohe Stoffknäuel, die gerade aufgeblasen wurden. „Ist das irgendeine Art Wettbewerb?“
„Vielleicht. Sieh mal, dort ist sogar ein Luftschiff.“
„Wo?“
„Es ist jetzt hinter den Bäumen. Aber ich hab es gesehen, es hatte Propeller.“
Millie wandte den Kopf in beide Richtungen. Ihr Nacken schmerzte ein wenig. „Kaleschen, Züge, Heißluftballons. Ich komme wir vor, als versuchten wir In achtzig Tagen um die Welt zu reisen.“
„Der derzeitige Rekord liegt bei siebenundsechzig Tagen, also müssten wir uns schon etwas mehr Mühe geben.“
„Wie weit ist
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