Eine bezaubernde Erbin
erkennen, wenn du an meiner Tür vorbeigehst.“
Sie atmete aus.
Er berührte ihr Haar, die kunstvolle Hochfrisur, zu der ihr Dienstmädchen es am frühen Abend aufgesteckt hatte, zog zwei der Amethystnadeln heraus und warf sie beiseite. Eine landete mit einem leisen Geräusch auf dem Teppich, die andere auf dem Spitzendeckchen auf ihrem Frisiertisch.
Wie lange war er schon neugierig auf diesen Tag, diese Stunde gewesen?
Seit ihrer Italienreise, so viel war sicher. Aber wenn er genau sein wollte, so nahm er an, war es seit diesem entscheidenden Treffen, in dem sie den Geschäftsführern ihres verstorbenen Vaters die Kontrolle über Cresswell & Graves entrungen hatten.
Er hatte diese Neugierde tief vergraben: Ein Pakt war ein Pakt. Sie hatten sich auf acht Jahre geeinigt, und er hatte sich fest vorgenommen, acht Jahre lang die Hände von ihr zu lassen.
Aber vergrabene Dinge hatten die Eigenart, Ranken zu bilden und Wurzeln im Unterbewusstsein zu schlagen. Als er sich also schließlich eingestand, dass er sie begehrte, sah er sich nicht mehr den Knospen des Verlangens gegenüber, sondern einem ausgewachsenen Dschungel der Lust.
Und in ihr, deren Empfindungen zwar aber hinter einer Maske der Gelassenheit verborgen wurden, die aber genauso tief und unausweichlich waren wie die aller Menschen, schlummerte da auch Verlangen?
Sie blieb weiterhin still, aber unter seinen Fingern spürte er sie leicht erbeben. Sie, mit ihrer damenhaften, prüden Art, wollte der gewöhnlichen, vulgären Lust nicht nachgeben.
Aber er wollte, dass sie ihr nachgab. Er wollte ihre Maske Stück für Stück bröckeln sehen.
Die bloße Vorstellung raubte ihm den Atem. Acht Jahre platonischer Freundschaft, in denen er sich freundlich verhielt, aber innerhalb fest gesteckter Grenzen bewegte, in denen er nicht daran zu denken wagte, wie es werden würde, wenn sie endlich zusammenkamen …
Ein leichter Duft stieg von ihrer Haut auf, süß, golden und köstlich. Lavendelhonig, ganz bestimmt. Ihre Seife wurde nicht nur aus destilliertem Lavendelextrakt hergestellt, sondern auch mit dem Lavendelhonig aus ihren Feldern.
Er atmete ein. Es war nur natürlich, dass er als Nächstes seinen Kopf neigte und sie auf die nackte Schulter küsste.
Hitze züngelte in tausend Flämmchen von ihrer Schulter bis in ihre Fingerspitzen. Die Intensität ihrer Empfindungen erstaunte Millie. Hatte er ihren Nervenenden permanenten Schaden zugefügt? Würde sie am nächsten Morgen ohne jedes Gefühl in ihren Gliedmaßen aufwachen?
Aber nein, er küsste sie noch einmal im Nacken, und das flüssige Feuer verbrannte sie von Neuem.
Sie spürte undeutlich, wie er weitere juwelengeschmückte Haarnadeln entfernte. Sie fielen geräuschlos auf den Teppich. Ebenso undeutlich verspürte sie den Impuls, ihn darum zu bitten, das nicht zu tun. Sonst musste sie morgen früh daran denken, sie aufzusammeln, ehe Bridget mit dem Kakao kam.
Es wäre zu peinlich, wenn Bridget wüsste, was in der Nacht geschehen war, ganz besonders, wenn er doch in sechs Monaten dasselbe mit Mrs Englewood tun würde, ihren Arm berühren, ihre Schulter küssen, ihr dunkles, schimmerndes Haar aus der Frisur lösen.
Nur wäre er dann vermutlich leidenschaftlicher und ungeduldiger, angetrieben von einem Verlangen, das seit einem Jahrzehnt in ihm brannte. Er wäre nicht so höflich rücksichtsvoll, es gäbe keine dieser vorsichtigen Berührungen, die sie völlig aufrieben, ihn aber kalt zu lassen schienen.
Sie war dankbar für die Dunkelheit. Ihm entging vermutlich nicht, dass sie erschauerte, aber zumindest konnte er nicht sehen, wie sich ihre Lippen öffneten oder ihre Lider senkten – ungewollte Reaktionen, die sie nicht ganz kontrollieren konnte, die verraten würden, wie vorgetäuscht ihre freundliche Gleichgültigkeit eigentlich war.
Er küsste sie aufs Ohr, sie spürte einen Hauch Feuchtigkeit. Der Stromstoß, der sie bei der Berührung durchzuckte, raubte ihr den Atem, ein gewaltiger Blitzschlag des Verlangens. Seine Finger liebkosten ihre Schultern. Er presste seine Lippen auf ihren entblößten Nacken. Dunkle, heiße Gefühle stiegen in ihr auf.
Sie biss die Zähne aufeinander. Gib keinen Laut von dir. Gib auf gar keinen Fall auch nur einen Laut von dir. Wenn sie so still wie die Nacht blieb, würde er nie erfahren, was sie empfand. Nie.
Die Knöpfe in ihrem Rücken öffneten sich, wie harmlose Dorfbewohner vor einer Horde Mongolen zurückwichen. Die kleinen Flügelärmel an ihren Schultern
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