Eine Billion Dollar
eigenartig. Ich würd’s nicht riskieren, John, ehrlich.«
»Lassen Sie sich nicht mit ihm ein«, warnte Alberto. »Ich halte jede Wette, dass Sie es bereuen werden.«
Gregorios Blick war mörderisch. »Und eines muss ich von vornherein klarstellen: Wenn Sie beschließen sollten, mit McCaine zusammenzuarbeiten, werden wir nicht länger für Sie tätig sein.«
Die Sichel des Mondes spiegelte sich in einem ruhigen, dunklen Meer. John stand am Geländer und lauschte der sonoren Stimme aus dem Telefon. Es war eigenartig, nun ein Gesicht und eine Geschichte damit verbinden zu können.
»Wenn ich jemals jemanden kennen gelernt habe, der sich eine private Religion gezimmert hat, dann war das die Familie Vacchi«, erklärte McCaine ruhig. »Sie gehen sonntags in die Kirche und beten zu Gott, aber in Wirklichkeit glauben sie an das Geld und an die Vision des Giacomo Fontanelli. Und an die heilige Aufgabe, die er ihrer Familie aufgetragen hat.«
»Aber Sie müssen Ihnen doch etwas getan haben, dass sie so aufgebracht sind – immer noch?«
Ein kurzes, dunkles Lachen. So richtig amüsiert klang es allerdings nicht. »O ja, ich habe etwas getan. Ich habe ein Sakrileg begangen. Ich habe es gewagt, vorzuschlagen, dass sie ihre heilige Aufgabe und den heiligen Stichtag vergessen und das bereits vorhandene Geld für Dinge ausgeben sollten, die damals, 1970, wichtig und sinnvoll gewesen wären. Immerhin betrug das Vermögen damals über dreihundert Milliarden Dollar, und wenn man das in die Entwicklung erneuerbarer Energien, den Schutz der landwirtschaftlich genutzten Flächen vor Erosion und in Programme zur Geburtenbeschränkung investiert hätte, hätte man viel von dem Elend verhindern können, das die Situation heute so verzweifelt macht.«
»Die Vacchis sind so schlecht auf Sie zu sprechen, nur weil Sie das vorgeschlagen haben?«
»Ich habe ihnen einen kompletten Plan vorgelegt. Das ist nun mal meine Art. Ich tue, was ich tue, mit vollem Einsatz. Für die Vacchis muss es ausgesehen haben, als wolle ich das Geld an mich reißen.« McCaine gab einen Laut von sich, der halb Seufzer, halb Ausdruck des Unmuts war. »Es ist so viel Zeit vergeudet worden, so viel wertvolle Zeit, und nur durch die Starrköpfigkeit der Vacchis. Man hätte damals ein bedeutsames Zeichen setzen können, aber nein, sie mussten auf den Stichtag warten. Jeden Tag stirbt eine Tierart aus, jeden Tag verhungern Tausende unschuldiger Menschen, aber diese Anwälte hatten nichts anderes im Sinn als ihr obskures Gelübde.«
Er konnte nicht schlafen in dieser Nacht. Er lag wach, starrte das Telefon an, das in der Dunkelheit zu leuchten schien, und musste wieder an Paul Siegel denken. An das eingestürzte Haus in der Straße, in der seine Eltern das Uhrengeschäft führten. An warmen Tagen war das ihr Treffpunkt gewesen. Sie konnten stundenlang auf den staubigen Mauerresten sitzen, die Beine baumeln lassen, die Passanten beobachten und über alles Mögliche reden. Manchmal machten sie ihre Hausaufgaben dort, die Hefte ausgebreitet auf rissigem Beton und Resten von Bodenfliesen. Paul hatte ihm immer geholfen, konnte einem alles erklären, besser als jeder Lehrer – egal, ob es um die Geschichte des Bürgerkriegs ging, Trigonometrie oder darum, was Salinger mit dem Fänger im Roggen ausdrücken wollte. Bloß von Mädchen hatten sie beide gleichermaßen wenig Ahnung gehabt. Da hatte er immer erzählt, was er von Lino erfahren hatte, und das hatten sie dann mit roten Ohren diskutiert.
Ewigkeiten her. Und das Telefon glühte immer noch elfenbeinern.
Vielleicht war Paul heimlich eifersüchtig auf ihn. Auf seinen Reichtum, der ihm zugefallen war, einfach so. Ohne dass er ein Begabtenstipendium hatte ergattern müssen. Ohne endlose Nächte über Büchern und endlose Stunden in Prüfungen. Vielleicht hatte er sich deshalb nicht mehr gemeldet.
John streckte die Hand aus, verharrte kurz, bevor er den Hörer berührte. Doch. Wie spät war es jetzt in New York? Früher Abend. Zu früh vielleicht sogar, aber er konnte ihm zumindest eine Nachricht aufs Band sprechen. Er zog die Adressenliste aus der Nachttischschublade und wählte Pauls Nummer.
Doch da war kein Anrufbeantworter. Der Anschluß, erklärte eine freundliche, weibliche Automatenstimme, bestand nicht mehr.
»Signora Sofia! Caff, per favore! E presto!«
Das kam aus der Küche. Abgesehen davon, dass es Italienisch war, klang es fast wie Marvins Stimme. John blieb am unteren Ende der Treppe
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