Eine Billion Dollar
machen?«
Eduardo hob einen flachen Kiesel auf und schleuderte ihn hinaus aufs Meer, sodass er zweimal auf den Wellen aufhüpfte, ehe er versank. Wie zur Antwort leckte ein schaumiger Ausläufer der Brandung nach seinen Schuhen. »Keine Ahnung«, erwiderte der junge Anwalt. »Jedenfalls würde ich mir keinen Kopf machen wegen der Prophezeiung eines abergläubischen mittelalterlichen Kaufmanns. Ich meine, es gibt ja eine Menge sinnvolle Projekte, die man unterstützen könnte. Ein paar der ärmsten Entwicklungsländer auf die Beine helfen, wirtschaftlich. Solche Dinge. Lass deine Milliarden dafür draufgehen, so viel Geld kannst du ohnehin nicht ausgeben in deinem Leben. Wenn du hundert Millionen oder so behältst, reicht das immer noch für ein gutes Leben.« Er warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Zumal du ohnehin viel zu sehr zur Bescheidenheit neigst, wenn du mich fragst.«
»Was würden Sie an meiner Stelle mit dem Geld machen?«
Gregorio Vacchi nickte ernst. Seine Hand ruhte auf dem Einband eines juristischen Buches, in dem der Anwalt bei Johns Eintreffen gelesen hatte. Nun begannen seine Finger, einen unruhigen Rhythmus darauf zu klopfen. »Ich habe mich das immer gefragt«, gestand er und runzelte die Stirn. »Was könnte man mit eintausend Milliarden Dollar tun, um die Prophezeiung zu erfüllen? Ein weltweites Bildungsprogramm einrichten, dachte ich einmal, um in allen Menschen ein Bewusstsein zu schaffen für die Probleme des Planeten. Aber andererseits haben wir in den Industrieländern genug Bildung, um die ganzen Zusammenhänge zu erkennen, und nichts ändert sich; also würde ein solches Programm auch nichts ändern. Oder sollte man Lizenzen umweltfreundlicher Technologie erwerben und diese in Entwicklungsländer exportieren, um zu verhindern, dass dort alle Anfangsfehler wiederholt werden, die wir durchlaufen haben? Die Chinesen dazu bringen, dass sie von Anfang an Autos mit Katalysator bauen, zum Beispiel? Aber letztlich, sage ich mir, sind das Tropfen auf einen heißen Stein, keine durchschlagenden Lösungen.« Er schüttelte bekümmert den Kopf. »Ich muss gestehen, ich weiß es nicht. Ich kann Ihnen da keinen Rat geben.«
»Was würden Sie an meiner Stelle mit dem Geld machen?«
Alberto Vacchi griff in die Tasche seiner Gärtnerschürze und holte eine Gartenschere hervor, mit der er einen vertrockneten Trieb des Rosenstrauches abknipste. »Ich bin froh, dass ich nicht an Ihrer Stelle bin«, meinte er. »Ganz ehrlich. So viel Geld, und dazu diese Prophezeiung… Ich kann verstehen, dass Ihnen das auf der Seele liegt. Mir jedenfalls würde es auf der Seele liegen. Ich glaube, ich könnte keine Nacht ruhig schlafen. Natürlich, man kann viel Macht ausüben mit so viel Geld, aber die Frage ist ja, was man bewirken soll, um die Dinge zum Besseren zu wenden. Und, offen gestanden, ich durchschaue die Verwicklungen der heutigen Weltwirtschaft nicht. Wer wem gehört, wer wo wie viele Anteile hat…« Er hielt inne, begann, einen Zweig des Rosenstrauches in eine andere Richtung zu binden. »Die heutige Weltwirtschaft – was rede ich da? Ich habe es noch nie begriffen, nicht wirklich. Irgendwas in meinem Kopf sieht nicht ein, was das mit meinem Lebensglück zu tun haben soll. Und dann ist es hoffnungslos, dann begreife ich es nie.«
»Was würden Sie an meiner Stelle mit dem Geld machen?«
Cristoforo Vacchi saß auf der Bank, die Hände auf einen Spazierstock mit silbernem Griff gestützt, und hielt die Augen geschlossen. »Hören Sie das, John? Das Summen der Bienen? Von diesem Platz aus klingt es wie ein Chor, ein weit entfernter Chor aus tausend Stimmen.« Er schwieg eine Weile, lauschend, dann öffnete er die Lider und musterte John mit wässrigem Blick. »Ich habe viel über diese Frage nachgedacht, als ich jünger war. Aber ich bin schließlich zu dem Schluss gekommen, dass es nicht unsere Aufgabe sein kann, dabei mitzureden. Und wissen Sie, warum? Weil es unsere Aufgabe war, das Vermögen zu bewahren. Wir hätten das nicht vollbringen können, wenn wir nicht eine Familie von Hütern wären, von Beschützern, wenn wir im Lauf der Generationen nicht eine schier absurde Abneigung gegen Veränderungen aller Art entwickelt hätten. Derjenige, der die Prophezeiung erfüllt, muss aber ein Veränderer sein, und das ist von der Mentalität unserer Familie so weit entfernt wie der Südpol vom Nordpol – diametral.« Ein Lächeln erschien auf dem alten Gesicht, ein Ausdruck fast
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