Eine Billion Dollar
John an. »Guten Morgen, John. Wo haben Sie denn das aufgetrieben?«
»O’Shaugnessy hat es aufgetrieben«, erklärte John und fing an, auf den Absätzen zu wippen.
»O’Shaugnessy? Sieh an. Ein findiger Bibliothekar, muss ich sagen.« McCaine klappte den Vorderdeckel auf, blätterte genüsslich den Vorsatz um, studierte das Titelblatt. »Ein gut erhaltenes Exemplar. Besser als mein eigenes.«
John schnaubte. »Sie haben Lord Rawburne eingeladen und mich Ideen vortragen und als eigene Gedanken ausgeben lassen, die er schon vor zwanzig Jahren hatte! Ich komme mir vor wie ein Idiot.«
»Unsinn«, erwiderte McCaine. »Er war hellauf begeistert. Das haben Sie mir selbst erzählt. Er hat Ihre Partei ergriffen, oder etwa nicht?«
»Mir sind gestern Abend fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Sie kannten dieses Buch. Warum haben Sie es mir nicht gezeigt?«
»Weil es«, erklärte McCaine geduldig, »besser war, dass Sie von selber auf diese Ideen gekommen sind.«
»Aber ich bin nicht von selber auf diese Ideen gekommen! Sie haben sie mir eingeredet, jede einzelne davon.«
McCaine schüttelte den Kopf. »Wir haben einen Abend lang bei einer guten Flasche Wein zusammengesessen und haben Strategien für die Umgestaltung der Weltwirtschaft erörtert. Wir beide, Sie und ich. Alright, ich habe die Gedanken Rawburnes einfließen lassen – aber Sie sind darauf angesprungen, haben sie adoptiert, weitergedacht, waren hellauf begeistert. Und? Ändert es etwas an Ideen, dass jemand anderer sie schon einmal hatte?«
»Sie hätten mir sagen müssen, dass der Urheber dieser Ideen mit an dem Tisch sitzen würde, an dem ich darüber rede!«
»Dann wären Sie befangen gewesen. Sie hätten gewirkt wie ein Proselyt. Wie jemand, der sich gerade zu einer neuen Ideologie bekehrt hat und nun alle Welt damit beglücken will.«
John stutzte. »Das war der Grund? Sie wollten, dass ich unbefangen wirke?«
»John«, sagte McCaine, klappte das Buch langsam zu und legte es ihm wieder hin, oben auf einen Stapel Akten, »ich bin nicht so genial, dass ich auf so etwas von selber käme. Ich gebe es zu. Aber es ist mir auch egal, völlig egal, woher eine gute Idee kommt und wer sie gehabt hat. Ich zahle keine Lizenzgebühren für die Rettung der Welt. Wenn eine Idee etwas taugt, verwende ich sie.«
»Was war mit den anderen? Die wussten auch, dass ich Rawburnes Ideen wiederkäue, oder?«
»Kein Mensch kennt heute noch Rawburnes Ideen.« McCaine deutete auf das Buch. »Das ist ein Privatdruck. Die Auflage betrug zweihundert Stück. Haben Sie sich einmal gefragt, warum? Oder haben Sie sich einmal gefragt, warum er Ihnen an dem Abend nicht einfach über den Mund gefahren ist? Warum er so getan hat, als spinne er einfach Ihre Idee weiter?«
»Nein«, musste John zugeben.
»Weil er Ihnen geglaubt hat. Er hat Ihnen geglaubt, dass Sie von selber darauf gekommen sind. Und es hat in ihm die Hoffnung geweckt, die Zeit könnte jetzt allmählich reif sein für seine Gedanken. Als er das Buch geschrieben hat – er kann damals höchstens sechsundzwanzig gewesen sein –, war sie es eindeutig nicht. Sie können sich kaum vorstellen, wie er mit seinen Thesen damals in seinen Kreisen angeeckt ist. Steuern nur noch auf Umweltverbrauch, auf Landbesitz, auf Verbrauch von Wasser und Rohstoffen, auf erzeugten Müll! Wenn die Lords nicht alle selber schon halb tot gewesen wären, sie hätten ihn bestimmt gehängt.« McCaine lehnte sich zurück, verschränkte die Hände vor der Brust. »Die Oberklasse hat ihm bis heute nicht verziehen und wird es auch nie. Der Rest der Zivilisation kennt ihn als den wahrscheinlich kompetentesten Wirtschaftsjournalisten der Welt. Wenn er etwas sagt, spitzt jeder die Ohren, Wallstreet genauso wie Downing Street Number 10, Frankfurt genauso wie das Weiße Haus. Dass er Sie ins Herz geschlossen hat, ist für unsere Vorhaben wertvoller, als wenn er Ihnen British Petroleum geschenkt hätte.«
John schluckte. »Im Ernst?«
»Haben Sie letzte Woche die Zeitungen gelesen?«
»Ähm – nein.«
»Das sollten Sie tun. Sie werden feststellen, dass Sie ein Held geworden sind. Die englischen Massenblätter berichten groß über unsere Umweltschutz-Initiativen. Die amerikanischen Zeitungen entdecken eine neue Entwicklung hin zu mehr Rücksichtnahme der Wirtschaft auf die Umwelt, die sie den Fontanelli-Trend nennen. Und auf dem Kontinent gibt es sowieso keinen Chefredakteur, der nicht Miss Holdens 20th Century Observer abonniert
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