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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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hätte.«
    John musterte McCaine, dessen Hemd schon zu dieser frühen Morgenstunde an den Achseln durchgeschwitzt war. »Und das soll alles das Resultat eines einzigen Abendessens und meiner lauwarmen Ansprache sein?«
    »Darauf können Sie wetten. Sie sind nicht mehr der verrückte Erbe, der nicht weiß, wohin mit dem Geld. Sie sind ein Sympathieträger. Die Menschen beginnen zu erkennen, dass Sie der wahre Erbe sind; dass Sie die Prophezeiung erfüllen werden. Sie sind ein Popstar, John«, meinte McCaine. »Finden Sie sich damit ab.«
    Johns Gesicht verdüsterte sich. »Jeder könnte das, was ich tue. Ich bin ein Versager, der zufällig eine irrsinnige Erbschaft gemacht hat.« Er erschrak über seine eigenen Worte.
    McCaine musterte ihn nachdenklich, schwenkte dann mit seinem Sessel zur Seite und sah hinaus auf die Dächer Londons. »Sie sind gescheitert an einer Welt, die zutiefst falsch gepolt ist«, sagte er ruhig. »Wir werden sie umpolen. Wir werden dafür sorgen, dass die richtigen Menschen Erfolg haben und dass das richtige Verhalten belohnt wird, und alles weitere wird sich von selber regeln.«
     
    Einen anderen Popstar entdeckte John, als er sich eines Abends, zu aufgedreht von einem hektischen Tag, um schon Schlaf finden zu können, vor den Fernseher hockte und durch die Programme zappte: Da starrte ihm unvermutet auf MTV Marvins Gesicht entgegen, düsteren Blickes zu krachender Musik schwer verständliche Gesangsstrophen nuschelnd, während im Hintergrund Berge von Autowracks wie durch Zauberhand höher und höher wuchsen. Die Musik war immer noch schrecklich, aber das Video war beeindruckend, besonders im Refrain des Songs, wenn Constantina mitzwitscherte, nur mit dem Allernötigsten bekleidet, und selbst das schien auf einem Müllplatz zusammengesucht worden zu sein. Ihre lasziven Bewegungen ließen John unwillkürlich an einen gewissen Abend auf einer gewissen, seit Monaten ungenutzt vor Anker liegenden Jacht denken, und es tat nicht gut, daran zu denken.
    Staatsanwältin würde sie jedenfalls nicht mehr werden.
     
    Im Keller des Gebäudes der Staatsanwaltschaft von Florenz lagerten noch immer so viele Kartons mit der Aufschrift Drohbriefe/Fontanelli, dass sie einen eigenen Asservatenraum füllten. Bis zum Wegzug John Fontanellis nach Großbritannien hatte sich eine Sonderkommission damit beschäftigt, was eine Vielzahl von Festnahmen und Anklagen überall in der Welt zur Folge gehabt und eine Reihe von Leuten in Gefängnisse oder psychiatrische Anstalten gebracht hatte.
    Im Juni 1996 lockten eigenartige Geräusche aus dem Innenhof des Gebäudes die Leute an die Fenster. Mitten im Hof stand ein Lastwagen einer Datenvernichtungsfirma und tuckerte vor sich hin, und der Reißwolf am hinteren Ende fraß schwarze Kartons, wie sie aus dem Keller hochgeschafft wurden, ungeöffnet, widerspenstig über die schimmernden Zahnwalzen springend und zappelnd, bis eine der Metallzacken endlich in Pappe biss und den Brocken hinabschlang und die Hülle aufplatzte, einen Schwall von Briefumschlägen freigebend wie eine reife Samenkapsel den Samen, aber auch die erfasste der mechanische Schlund und verhackstückte sie zu winzigen Fetzen. Es dauerte keine zwei Stunden, bis die geballten Drohungen gegen den reichsten Mann der Weltgeschichte nur noch Brennmaterial in braunen Papiersäcken waren.
    »Eine ausdrückliche Anweisung des Justizministers«, sagte der Oberstaatsanwalt zu seinem Besucher, während sie das Schauspiel durch die Scheiben beobachteten, und nutzte die Gelegenheit, verstohlen an einer Fleischfaser zu pulen, die ihm seit dem Mittagessen zwischen den Zähnen hing. »Der sie wiederum auf ausdrückliche Bitte des Finanzministers erteilt hat, wie man hört.«
    »Wirklich?«, staunte sein Besucher pflichtschuldigst.
    Die Fleischfaser gab nach. Was für ein herrliches Gefühl. Angewidert betrachtete der Oberstaatsanwalt das winzige braune Ding an seinem Fingernagel. »Vollkommen richtig, wenn Sie mich fragen. Signor Fontanelli hat nämlich bei seiner Einbürgerung versprochen, in diesem Land Steuern zu zahlen, und drei Monate später ist er nach England verschwunden. Es ist nicht einzusehen, warum wir unentgeltlich für so jemanden arbeiten sollten.«
     
    »Wir zahlen keine Steuern?« John sah von der Bilanzübersicht auf. »Ist das wahr?«
    McCaine war damit beschäftigt, eine längere Notiz auf den Rand eines Schriftstücks zu kritzeln. »Das ist ein internes Papier und nur für uns bestimmt«, sagte er,

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