Eine Billion Dollar
ohne aufzusehen. »Ich will doch schwer hoffen, dass jede Zahl darin so wahr ist, wie eine Zahl nur sein kann.«
»Hier stehen gerade mal dreizehn Millionen Dollar.«
»Dreizehn Millionen zu viel, wenn Sie mich fragen. Aber die waren eben nicht zu vermeiden.«
»Ich weiß nicht. Ich habe dem italienischen Finanzminister versprochen, mindestens ein Jahr lang in Italien Steuern zu zahlen…«
»Die sieben Milliarden, die ich letztes Jahr nicht mehr retten konnte, werden ihm reichen müssen.«
»Ich habe es ihm versprochen, verstehen Sie? In die Hand.«
Jetzt sah McCaine doch auf. »Mir kommen gleich die Tränen. Entschuldigen Sie, John, aber wir reden hier von zwanzig, dreißig Milliarden Dollar und mehr. Dafür können Sie die Ukraine kaufen oder halb Afrika. Ich denke nicht daran, so viel Geld irgendeinem Finanzminister in den Rachen zu werfen.«
»Aber wir können doch nicht… ich meine, wir verdienen Geld. Und wer Geld verdient, muss Steuern zahlen, so ist das nun mal, oder?«
»Wir sind ein internationales Unternehmen. Wir können es uns aussuchen, wo wir Steuern zahlen. Und wenn ich es mir aussuchen kann, dann zahle ich den Steuersatz der Cayman-lnseln, nämlich null Dollar.«
John nickte betreten und starrte wieder das Blatt Papier in seiner Hand an. Dreizehn Millionen.
»Wie geht so etwas?«, fragte er. »Wir sind doch nicht auf den Cayman-lnseln. Wir sind hier, in London.«
»Wir haben Firmen auf den Cayman-lnseln. So wie wir Firmen auf der Insel Sark haben, in Belize, auf Gibraltar, in Panama und wie die Steuerparadiese alle heißen. Diese Firmen tun nichts, sie haben keine Angestellten, sie bestehen nur aus einem Eintrag im Handelsregister und einem kleinen Schild an einem Briefkasten. Und auf diesen Schildern stehen unauffällige Namen, weil es nicht sein muss, dass jeder sofort sieht, dass sie Ihnen gehören. Eine dieser Firmen heißt zum Beispiel International Real Estate und ist eine Immobilienfirma, der das Hochhaus und Ihr Schloss gehört und die uns dafür satte Mieten in Rechnung stellt. Diese Mieten mindern unseren Geschäftsertrag und damit unsere Steuerlast – aber was will das Finanzamt tun? Man kann uns schließlich nicht verbieten, in gemieteten Räumen zu leben und zu arbeiten. Und dieses Spiel kann man treiben mit Versicherungen für Transporte, Investments, Beratungshonoraren und so weiter, bis man praktisch keine Steuern mehr zahlt.«
»Ist das Geld dort denn überhaupt sicher, auf diesen ganzen Inseln?«
»Seien Sie nicht naiv. Das Geld wird nur in den Computern der Banken bewegt, eine Buchung von einer Festplatte zur anderen. Kein Penny verlässt dieses Land, nicht einmal in Form von Bits.«
Das kam John schier unglaublich vor. Aber er hatte sich daran gewöhnt, in eine Region geraten zu sein, in der das Unglaubliche der Normalfall war. »Mir kommt das nicht ganz astrein vor.«
»Das hat auch niemand behauptet. Im Gegenteil, moralisch ist es absolut verwerflich. Aber schauen Sie sich die Statistiken des Internationalen Währungsfonds an: Über zwei Billionen Dollar werden in Offshore-Finanzplätzen verwaltet. Es würde unsere Position empfindlich schwächen, wenn wir Steuern zahlen, andere aber nicht.«
John fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. »Jeder kleine Handwerker muss Steuern zahlen. Mein Vater muss Steuern zahlen. Jeder. Mit welchem Recht soll ich mich da herausnehmen?«
McCaine lehnte sich weit in seinem Sessel zurück, stellte die Finger seiner Hände gegeneinander und stützte sein Kinn darauf, während er John nachdenklich betrachtete. »Das kann man so und so sehen«, meinte er endlich. »Sie sind Unternehmer. Sie sind einer der größten Arbeitgeber der Welt. Sie versorgen den halben Planeten mit Gütern des täglichen Bedarfs. Sie erbringen Leistungen, die keine einzige Regierung zu erbringen imstande ist. Also, wenn Sie mich fragen – ich sehe nicht ein, dass Sie zu all dem auch noch Steuern zahlen sollen.«
»Der Raubzug geht weiter!«, trompetete McCaine beim Betreten seines Büros. Sie waren etliche Wochen in der Welt unterwegs gewesen und machten wieder einmal für längere Zeit in London Station, und wieder war es, als tobe ein Wirbelsturm durch das Gebäude.
Zuletzt hatten sie zahllose Gespräche mit Firmen in Osteuropa, im Nahen Osten und in Afrika geführt, hatten Fabrikhallen besichtigt, die manchmal Museen glichen oder düsteren Verliesen rechtloser Sklaven, hatten verkrustete Abwasserrohre gesehen, aus denen stinkende,
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