Eine Billion Dollar
schob die Auskunft vor sich her. »Herr Balabagan hat mehrmals um Stundung der Raten gebeten und vor acht Jahren um eine Reduzierung der Rate nachgesucht. Wir haben dem Gesuch entsprochen, aber wie Sie sich ausrechnen können, wurde die Tilgung dadurch natürlich verzögert.«
John spürte kalte Wut in sich aufsteigen. »Sprich, er hat bis jetzt wie viel getilgt? Zwei Prozent? Ein Prozent? Gar nichts?«
Nun waren, trotz Klimaanlage, feine Schweißperlen auf der Oberlippe des Bankangestellten zu sehen. »In der Tat«, gab er zu, »trifft Letzteres zu.«
»Was heißt das?«, fragte Balabagan argwöhnisch.
»Das heißt, dass Sie die ganzen zehn Jahre nur Zinsen gezahlt haben, ohne dass Ihre Schulden auch nur um einen Peso weniger geworden sind«, sagte John brutal. Er fühlte auch eine nie gekannte Brutalität in sich. Ihm war danach, den untersetzten Mann auf der anderen Seite des Schreibtischs aus seinem hübschen blauen Anzug zu prügeln.
»Was?«, fuhr der Fischhändler hoch. »Ja – aber wieso? Ich habe doch fast immer gezahlt, und so viel…«
»Nicht genug«, schüttelte John den Kopf.
»Und wie soll das weitergehen? Was wird damit? Muss ich jetzt mein ganzes Leben lang zahlen, oder was?«
Labarientos hatte ein Gesicht aus Stein. »Nein«, sagte er. »Der Kredit läuft auf fünfundzwanzig Jahre. Bei Fälligkeit muss er entweder abgelöst werden, oder wir gehen in Vollstreckung.«
»Das heißt«, übersetzte John, »wenn Sie in fünfzehn Jahren alles Geld, was noch fehlt – also Darlehen plus alle noch nicht bezahlten Zinsen –, nicht auf einen Schlag zurückzahlen können, bekommt die Bank Ihr Haus oder was immer Sie sonst an Sicherheit verpfändet haben.«
»Aber wie soll ich denn das machen?«, schrie Balabagan voller Entsetzen. »Wo soll ich das Geld hernehmen? Mein Haus? Mein Sohn soll mein Haus erben, und das Geschäft. Was will die Bank denn mit einem Fischgeschäft?«
»Sie wird es an Ihren Sohn vermieten, vielleicht«, sagte John. Allmählich begriff er, wie das Spiel lief. Er beugte sich vor, sah den Bankmenschen an, zügelte mühsam seinen Zorn. »Mister Labarientos, wie kommen Sie, wie kommt Ihre Bank dazu, für ein Darlehen derart hohe Zinsen zu verlangen? Sagen Sie mir das. Sagen Sie mir, ob das übliche Praxis ist.«
Tipp-tipp-tipp auf dem Computer. Es klang nach Zeit gewinnen, nach Nervosität. »Es war ein Darlehen«, erklärte Labarientos bedächtig, »das in einer Hochzinsphase abgeschlossen wurde, zu festgeschriebenen Zinsen. Das Darlehen hatte ferner schlechte Sicherheiten, das heißt, es war riskant für die Bank. Es ist absolut üblich, in diesem Fall einen Zuschlag zu erheben, wegen des erhöhten Ausfallrisikos.«
»Ist das alles?«, fragte John, dachte an die Dynamitfischer, an ihre verlorenen Arme und Beine, an den Mann, der nur noch im Sack hing, an die Tochter, die nach Hongkong gegangen war, um ihren Körper gegen Geld für die Familie zu tauschen. »Ist das alles, was eine Rolle spielt – das Risiko für die Bank?«
Labarientos sah John an, fuhr sich flüchtig mit der Zunge über die Lippen, faltete die Hände vor sich auf dem Schreibtisch. »Als Bank«, sagte er, kein bisschen eingeschüchtert, »sind wir in erster Linie unseren Einlegern verpflichtet. Ihnen zum Beispiel, Mister Fontanelli. Sie haben bei unserer Bank eines der größten Konten, die wir führen. Sie haben uns viele Millionen Pesos anvertraut. Sie wollen sicherlich nicht, dass wir dieses Geld verlieren – und Sie wollen sicherlich Zinsen dafür, nicht wahr? Das ist es, was wir hier tun. Wir verdienen Ihre Zinsen.«
Johns Gesicht brannte vor Scham, während sie zurückfuhren. Er würde der erste Mensch sein, der von Schamesröte Verbrennungen der Haut davontrug. Er lehnte windschief auf der Rückbank, den Arm über das Gesicht gelegt, und ihm war schlecht vor Entsetzen.
Die ganze Zeit hätte er es wissen können, die ganze Zeit. Es war alles so offensichtlich, so einfach, so klar. Es lag auf der Hand.
Frage: Wie vermehrt sich Geld? Antwort: Überhaupt nicht.
Was für eine Idiotie, etwas anderes zu glauben.
Und doch – von frühester Kindheit an wurde es einem gepredigt, unablässig wiederholt wie ein frommes Mantra, inbrünstiger als das Vaterunser, man kannte es überhaupt nicht anders: dass Geld sich vermehre auf einem Sparkonto. Die Werbung wiederholte es gebetsmühlenhaft, Eltern, Lehrer, Freunde, alle plapperten es nach: Bring dein Geld auf die Bank, damit es mehr wird. Sogar Paul, der
Weitere Kostenlose Bücher