Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
aufgetürmt wurden, wie die Welt ihn noch nie gesehen hatte. Man würde bewaffnete Wachposten brauchen, sicher. Er würde eine kurze Rede halten, erklären, was er erkannt hatte und warum es gut war, das Geld zu vernichten, würde die Fackel nehmen und hineinstoßen in die Benjamin Franklins und George Washingtons, und zusammen mit den Zuschauern würde er in gruseliger Erleichterung verfolgen, wie das größte Vermögen, das es jemals gegeben hatte, in Rauch und Asche aufging, in Asche, die noch meilenweit entfernt niedergehen würde…
    John blinzelte, rieb sich die Stirn, war wieder da, auf der Hauptstraße von Tuay. Die Leute sahen ihn mit merkwürdigen Blicken an.
    Irgendetwas war falsch an dieser Vorstellung. So erregend sie war. Er machte daran herum, wie man mit der Zunge an den Zähnen herumtastet, wenn man glaubt, irgendwo könnte ein Loch sein. Ein Besuch in einer Zentralbank fiel ihm wieder ein, er wusste nicht mehr, in welchem Land, wie McCaine und er hinter einer Panzerglasscheibe gestanden und den Leuten zugeschaut hatten, die alte, zerrissene, kaputte Geldscheine aussortierten, in den Reißwolf warfen und durch frisch gedruckte Scheine ersetzten.
    War denn ein Geldschein identisch mit Geld? Konnte er sein Vermögen denn wirklich vernichten, indem er sich alle Konten in bar auszahlen ließ und das Bargeld verbrannte? In vielen Ländern würde er sich damit strafbar machen, fiel ihm ein. Vielerorts war es verboten, Geldscheine zu zerstören, die oft Porträts von Königen oder Nationalhelden trugen. Aber davon abgesehen, was hinderte die Zentralbanken daran, das zerstörte Geld durch neues zu ersetzen? Es war ja schließlich nur Papier.
    Und wenn man schon darüber nachdachte: Wozu der Aufwand mit den Lastwagenkolonnen voller Geld? Er konnte die Federal Reserve Bank darum bitten, eigens für ihn eine Eine-Billion-Dollar-Note zu drucken. Die konnte er dann im Aschenbecher verbrennen, bequem und unspektakulär. Himmel, es würde reichen, sich einen Scheck ausstellen zu lassen! Selbst das – wozu? Es ging doch letztlich nur darum, seine Konten auf null zu bringen. Das konnte man machen, indem man ihm Bargeld aushändigte oder einen Scheck, was beides im Grunde nur eine Art Gutschein darstellte. In dem Fall waren die Buchungen ausgeglichen, und alles hatte seine Richtigkeit. Aber genauso gut konnte er sein ganzes Vermögen auf sein Konto bei seiner eigenen Bank überweisen, dann dort einfach ins Rechenzentrum marschieren und dem Programmierer oder dem Operator zu sagen: »Da, diese Speicherstelle im Computer, an der jetzt eine Billion steht« – oder zwei Billionen oder wie viel auch immer – »löschen Sie das und schreiben Sie Null hinein.« Dann war das Vermögen auch vernichtet, oder?
    John schüttelte den Kopf, strich sich die Haare aus der Stirn. Das war alles so verwirrend. Wenn man Geld so einfach vernichten konnte, was hinderte einen dann daran, es genauso einfach zu erschaffen? Genauso gut konnte man in diese Speicherstelle hundert Billionen hineinschreiben oder hundert Trillionen – aber war das dann auch Geld? Und wenn nein, warum nicht? Was war denn Geld eigentlich?
    Seine Füße trugen ihn weiter, zu einem Platz im heißen Schatten eines Baumes. Er setzte sich, den Blick unverwandt hinaus aufs Meer und die strahlendweiße Jacht darauf gerichtet, ohne sie wirklich zu sehen.
    Geld. Angenommen, man würde nicht nur sein verfluchtes Vermögen vernichten, sondern alles Geld, das überhaupt existierte auf Erden. Was dann? Was würde geschehen? Würden die Menschen hilflos sein, gezwungen, eine neue Wirtschaft ohne Geld zu entwickeln, zum Tauschhandel zurückkehren? Unwahrscheinlich. Sein Vater würde einen Gutschein über ein Paar Schuhe ausstellen, damit zum Bäcker gehen und ihn dort gegen einen Laib Brot und Gutscheine über eine bestimmte Anzahl weiterer Laibe Brot eintauschen, und der Maßstab dafür würden die Preise sein, die die Dinge vorher gehabt hatten. Die Menschen würden das Geld auf eigene Faust wieder erschaffen, in irgendeiner Weise und in irgendeiner Form.
    Das war es: Geld war eine menschliche Erfindung. Und es war genauso wenig wieder aus der Welt zu schaffen wie die Atombombe.
     
    »Hallo? Mister Fontanelli?«
    John zuckte zusammen, fuhr hoch. Vor ihm stand ein Junge, der sechzehn war oder vielleicht siebzehn und ihn neugierig ansah, aus flinken, wachen Augen. Sein Blick hatte etwas Besorgtes.
    »Was ist los?« Er sah sich um. Er saß auf einer schmutzigen, gelben

Weitere Kostenlose Bücher