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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Enge in Florenz.
    Er sah Ursula an. »Heißt das, die Fugger haben hier immer noch das Sagen?«
    »Nein. Aber es gibt sie noch. Die Bank hier etwa gehört der Fürstenfamilie Fugger-Babenhausen. Die Fugger sind immer noch enorm reich, besitzen Brauereien, Industriebeteiligungen und Schlösser, vor allem aber Land. Sie gehören zu den zehn größten Grundbesitzern in Deutschland. Dabei hat diese Familie seit den Tagen Anton Fuggers kein Geld mehr verdient. Sie zehrt nur von dem damaligen Erbe, seit über vierhundert Jahren.« Sie deutete auf ein Bistro in der Nähe. »Komm, lass uns frühstücken.«
    Unter gerahmten Fotos von Motorradrennen und an den Wänden aufgehängten Felgen, Lorbeerkränzen und Formel-1-Fahnen tranken sie starken Kaffee und aßen mit Schinken belegte Croissants. John holte etwas von dem deutschen Geld aus der Tasche, das sie in München gegen Lire eingetauscht hatten, und studierte die Münzen und Scheine. »Wer ist eigentlich Clara Schumann?«, murmelte er. Er drehte den Schein um und betrachtete das Klavier, das auf der Rückseite abgebildet war. »Muss etwas mit Musik zu tun haben.« Es waren aufwändig gemachte Geldscheine, mit diesen Wasserzeichen, eingelegten schimmernden Fäden und dem wie geprägt wirkenden Druck. Kein Vergleich mit Dollarnoten. Die allerdings gleichwohl beeindruckender aussahen, fand er.
    Er hatte sich inzwischen daran gewöhnt, nicht beachtet zu werden. Im Grunde war es befreiend. Und tatsächlich hatte ihn auf der ganzen Fahrt niemand angesprochen; nicht einmal, dass er eine gewisse Ähnlichkeit mit diesem John Fontanelli habe, war jemandem aufgefallen. Das Einzige, was ihn bedrückte, war der Gedanke, dass sich Marco und die anderen sicher Sorgen um ihn machen würden, gelinde gesagt – inzwischen schwitzten sie wahrscheinlich Blut und Wasser. Es war unfair ihnen gegenüber gewesen, einfach abzuhauen.
    »Und was gibt es hier zu sehen?«, wollte er wissen. »Ein Museum, nehme ich an.«
    »Etwas viel Besseres«, sagte Ursula und wischte sich die Finger an der winzigen Serviette ab. »Die Fuggerei.«
    Sie überquerten die Straße, wanderten kreuz und quer durch winzige, verwinkelte Gässchen, kreuzten eine weitere große Straße, dann ging es in eine Querstraße und hinter einem türkischen Imbiss noch einmal rechts ab, und gleich darauf standen sie vor einer in verblasstem Gelb gestrichenen Hausfront mit zwei Reihen kleiner Fenster unter einem steilgiebligen Dach, die auf niedrige Geschosse im Inneren schließen ließen. Über einem in Blau und Cremeweiß schräg gestreiftes Bogentor war eine Inschrift in lateinischen Buchstaben eingemeißelt: MDXIX. IACOB FVGGERI AVGVST GERMANI. Eine schmale Klapptür in dem Tor stand offen, gewährte Durchgang, und sie betraten eine andere Welt.
    Gerade als sie durch den Torbogen gingen, kam die Sonne hinter den Wolken heraus und tauchte breite Gassen zwischen schmucken, sandfarbenen Reihenhäusern in goldenes Herbstlicht. John fühlte sich nach Italien zurückversetzt, so anders, so mediterran wirkte die Siedlung, in die sie kamen.
    »Und wo ist jetzt diese Fuggerei?«, fragte er.
    Ursula machte eine Geste rundherum. »Wir haben sie gerade betreten. Das hier ist die Fuggerei, die älteste Sozialsiedlung der Welt.«
    »Eine Sozialsiedlung?« John musterte die einfach, aber ästhetisch gestalteten Häuser, die behaglich überwachsenen Mauern, die hier und da in Aussparungen der Hausecken stehenden Heiligenfiguren. Er musste an die verrufenen Viertel in New York denken, die als Sozialsiedlungen errichtet worden waren, die eingeschlagenen Fensterscheiben dort, die farbverschmierten Wände und überquellenden Mülltonnen. »Erstaunlich. Fuggerei? Das heißt, schätze ich, dass sie von den Fuggern erbaut worden ist?«
    »Von Jakob Fugger dem Reichen höchstpersönlich. Um das Jahr 1511 hat er sich bemüßigt gefühlt, als Mäzen in Erscheinung zu treten, und weil er nichts davon hielt, Künstler zu fördern, wie das die Medici oder Grimaldi taten, hat er stattdessen das hier errichten lassen. Eine zweifellos geniale Idee, denn die Fuggerei hat ihm bis heute einen besseren Ruf verschafft, als angesichts seiner Taten vermutlich gerechtfertigt wäre.«
    John nickte. Das sah in der Tat alles so behaglich aus, dass er schon jetzt äußerst angetan war von seinem mutmaßlichen Ahnherrn.
    Sie kamen zu einem beschaulichen Brunnen, wie er auch in der Altstadt von Portec­to hätte stehen können. Der kurze Aufenthalt in Italien schien den später

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