Eine Billion Dollar
du eine Ahnung!«
Er spürte wilde Freude aufwallen. Das war so gut wie eine Aufforderung, sich schon mal zu überlegen, wann und wie er das mit dem guten Essen und der Rose inszenieren wollte.
»Klar«, sagte er. »Wann soll’s losgehen?«
Sie blickte argwöhnisch umher. »Wie wär’s mit heute Abend?«
»Bin ich dabei.« Er hatte die Gastfreundschaft der Vacchis ohnehin lange genug beansprucht.
»Und wie wär’s«, setzte sie hinzu, »wenn wir deine Gorillas hier lassen?«
John musste husten. »Oha. Du meinst-?«
»Nur du und ich. Wir brennen durch. Fahren zweiter Klasse mit dem Zug wie Millionen andere Menschen auch und vergessen ein paar Tage den ganzen Zirkus.«
Eine deutlich hörbare innere Stimme sagte ihm, dass er nicht umhin kommen würde, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, wenn er sie nicht verlieren wollte. »Das ist nicht so einfach, wie du dir das denkst«, meinte er trotzdem behutsam. »Ich bin ständig in der Zeitung oder im Fernsehen. Man wird mich erkennen. Und jemand könnte auf dumme Ideen kommen.«
»Wenn du ohne Bodyguards unterwegs bist, erkennt dich kein Mensch. Jede Wette. Was den Leuten auffällt, ist nicht dein Gesicht, sondern dass da jemand daherkommt, der von auffällig unauffälligen Kraftprotzen umgeben ist.«
»Ich weiß nicht recht. Ich habe mich schon so daran gewöhnt, dass ich mir nackt vorkomme bei dem Gedanken…«
»Mein Gott! « Sie verdrehte die Augen.
»Also gut, von mir aus«, beeilte er sich zu sagen. »Aber wir müssen erst rauskriegen, wann Züge fahren und…«
»Kurz vor zehn Uhr abends fährt ein Nachtschnellzug nach München«, meinte Ursula und erklärte: »Das hab ich nachgesehen, als ich am Montag ohne euch Jungs unterwegs war.«
John musste an seinen Ferrari denken, der nutzlos in Portecto stand, in der Garage eines Hauses, das unbewohnt, aber zweifellos gut gepflegt war. »Und wie sollen wir da unbemerkt hinkommen?«
Sie musterte ihn spöttisch. »Na, das ist doch einfach«, sagte sie.
Am Abend ließen sie sich wieder nach Florenz in die Kanzlei bringen. Sie erklärten, noch ein wenig in den Büchern stöbern zu wollen, und man äußerte allgemein großes Verständnis dafür, wenn man auch durchblicken ließ, dass man ihnen kein Wort glaubte Dass Ursula ihre paar Utensilien aus dem Gästezimmer mitnahm, fiel niemandem auf.
Die Leibwächter hielten wie immer vor der Tür, sicherten die Umgebung und ließen sie aussteigen. Ehe sie die Haustür hinter sich schlossen, fragte Marco: »Werden Sie uns heute noch einmal brauchen?«
»Nein«, erwiderte John. Das war nicht mal gelogen. »Danke. Ich rufe Sie an.«
Sie räumten auf, packten Ursulas Sachen, und John musste eine billige graue Kunstlederjacke anziehen, die sie ebenfalls während ihres Alleingangs besorgt hatte. »Dein schickes Millionärs-Sakko kommt für die Fahrt in die Tasche«, bestimmte sie.
»Du hast das ja von langer Hand vorbereitet«, erkannte John und musterte sich in dem altersblinden Spiegel im Flur. »Ich sehe grässlich aus.«
»Du siehst aus wie ein normaler Tourist«, korrigierte sie.
Es war schon dunkel, die schmale Seitengasse lag still und verlassen, als sich die Haustür der Kanzlei Vacchi öffnete und zwei Gestalten heraustraten, eine davon mit einer Reisetasche über der Schulter. Sie zogen die Tür hinter sich zu und hörten, wie verborgene Stahlriegel klickend zurück in ihre Zuhaltungen fuhren. Wenig später betraten sie den Florentiner Bahnhof Santa Maria Novella und lösten zwei Fahrkarten nach München.
Das alles blieb unbemerkt, bis am nächsten Morgen um halb zehn der Mann vom Wachdienst bei den Vacchis anrief. »Haben Sie nicht gesagt, dass heute die beiden jungen Leute hier sein sollten? Hier ist niemand. Bloß neben dem Schließkasten unten hängt ein Zettel, der aussieht wie ein Brief.«
Doch um diese Zeit spazierten Ursula Valen und John Fontanelli schon durch die Straßen von Augsburg.
Das Gebäude war in dezentem Rotbraun gestrichen, einzelne Konturen goldfarben abgesetzt. »Fürst Fugger Privatbank«, las John das Schild neben der schlichten gläsernen Eingangstür vor. Hinter ihnen rollten Autos über Kopfsteinpflaster, Passanten drängelten sich vorbei, und in einiger Entfernung rasselte eine dicke blaue Straßenbahn um die Kurve. Das Stadtbild war von prachtvollen alten Fassaden, Stuck, Wandmalereien und goldenen Verzierungen geprägt, aber die Straßen kamen ihm weit und luftig vor nach der mittelalterlichen, geschichtsgetränkten
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