Eine Billion Dollar
Erstes in den prunkvollen Hauptsitz der Banco Fontanelli, und erst als er den schockierten Blick bemerkte, mit dem Ursula sich in der kirchenschiffartigen Eingangshalle voller Gold, Stuck und Marmor umsah, kam ihm siedend heiß zu Bewusstsein, dass das womöglich nicht so geschickt gewesen war. Dann brach auch noch die Empfangsdame fast zusammen vor Ehrfurcht, rief »Signor Fontanelli!«, mehrfach und so laut, dass sich alles nach ihr umdrehte, und konnte sich gar nicht beruhigen. Ob sie ihn zum Direktor bringen solle? Oder den Direktor herunterrufen…? John hob beschwichtigend die Hände und versuchte ihr begreiflich zu machen, dass er lediglich ein wenig Bargeld benötigte. »Wie viel Geld werden wir brauchen?«, fragte er Ursula, als sie das endlich verstand und sie zur Kasse geleitete.
Ursula hatte nur Augen für die himmelhohen Marmorsäulen, die gewaltigen, goldgerahmten Renaissance-Gemälde an den Wänden, die weite, modern ausgemalte Kuppel. »Das gehört dir alles«, hauchte sie fassungslos. »Oder? Es gehört dir doch?«
John folgte ihrem Blick. McCaine war der Meinung gewesen, der Hauptsitz der Banco Fontanelli müsse aussehen, als habe jemand den Petersdom gekauft und zu einer Bank umgebaut. Der Anblick erdrückte ihn jedes Mal selber fast. »Ich fürchte, ja.«
Sie löste sich mühsam aus dem Bann, schüttelte den Kopf, als müsse sie ein Gefühl von Benommenheit loswerden. »Ein Fugger in der Stadt der Medici. Ich schätze, du kannst es dir leisten, mich in einen dieser Nobelläden zu führen, Gucci oder Coveri oder so. Nimm zwanzig Millionen Lire.«
Er gab das an den Mann hinter der Panzerglasscheibe weiter und fragte: »Wie viel ist denn das in Dollar?«
»Um die zehntausend, schätze ich«, sagte Ursula und hängte sich an seinen Arm. »Übrigens, steinreicher Geliebter, sag mal – wieso hat jemand wie du eigentlich keine Kreditkarte?«
»Ich habe eben keine«, meinte John. Er hielt es nicht für angebracht, ihr zu sagen, dass normalerweise Geschäfte ihm ihre Waren zur Auswahl ins Haus brachten und er Restaurants verlassen konnte, ohne sich um lästigen Kleinkram wie Rechnungen oder Bezahlung kümmern zu müssen. »Ach, geben Sie mir lieber vierzig Millionen Lire«, sagte er zu dem Kassierer, der sich beeilte, ihm die Banknoten vorzuzählen, und anschließend beinahe devot um eine Quittung bat.
»Findest du es eigentlich in Ordnung, wie die Leute vor dir auf dem Bauch kriechen?«, wollte Ursula wissen, als sie wieder hinaustraten in das Treiben der seltsam mittelalterlich wirkenden Stadt.
»Nein«, sagte John. »Aber ich habe es aufgegeben, es ihnen abgewöhnen zu wollen.«
Sie musterte die vier Leibwächter, die nun wieder um sie herum waren, mit skeptischem Blick. »Die machen mich noch rasend mit ihren coolen Sonnenbrillen«, raunte sie ihm zu.
»Hey, beruhige dich. Ich habe immerhin vierzig Millionen in der Tasche.«
»Ja, schon gut. Du darfst dich mit deinen coolen Jungs nachher in ein Straßencaf setzen, während ich noch ein bisschen alleine shoppen gehe und mich dabei freue, ein ganz normaler Mensch zu sein.«
Es kamen weit mehr Besucher, als die kleine Dorfkirche fassen konnte. Obwohl es selbst in den vorderen, reservierten Bankreihen eng zuging, musste die Hälfte der Leute draußen warten und dem Gottesdienst durch die geöffnete Tür hindurch folgen; man hatte versäumt, Lautsprecher und Verstärker zu beschaffen.
Menschen säumten die schmalen Straßen des Dorfes, als der Trauerzug zum Friedhof ging. Cristoforo Vacchi wurde, wie er es immer gewusst hatte, in der Familiengruft der Vacchis beigesetzt, die seit Hunderten von Jahren gleich hinter der Friedhofskapelle aufragte und so etwas wie der Mittelpunkt des schmalen, sanft abwärts führenden Totenackers war.
»Man hat einen schönen Blick von hier«, sagte Alberto Vacchi nachdenklich, als alle Gebete gesprochen, alle Lieder gesungen und alle Kränze und Blumengebinde abgelegt waren.
Auf dem gemächlichen Rückweg ging Ursula bei John untergehakt und zog ihn unauffällig beiseite. »Ich würde dich gern meinen Eltern vorstellen«, flüsterte sie ihm zu.
John machte große Augen. Das klang vielversprechend. Denn schließlich, seit wann stellt man ein flüchtiges Abenteuer seinen Eltern vor? »Jederzeit«, flüsterte er zurück. »Und ich dich meinen.«
»Auf dem Weg dorthin könnten wir Augsburg besichtigen.«
»Augsburg?«
»Die Stadt der Fugger.«
»Der Fugger? Ich denke, die gibt’s nicht mehr?«
»Hast
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