Eine Billion Dollar
Südamerika hinein, ausgedehnt hatten. Die ehemalige Konzernzentrale hatten sie besichtigt, eben jene Fuggerhäuser in der Maximilianstraße, an denen sie schon am Morgen vorbeigekommen und in deren Nähe sie gefrühstückt hatten. Heute befand sich die Fugger-Bank darin und ein Luxushotel, das zu betreten John zu riskant erschien; sie übernachteten in einem anderen, etwas bescheideneren Hotel in der Innenstadt, wo niemand einen Ausweis sehen wollte und sie sich als John und Ursula Valen eintragen konnten.
Während Ursula noch einmal ging, um ihre Eltern anzurufen – sicherheitshalber nicht vom Hotel aus, sondern aus einer Telefonzelle in unverdächtiger Entfernung –, blieb John auf dem Bett liegen, starrte an die Decke und versuchte, das wirbelnde Chaos seiner Gedanken zu ordnen, die ihm wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm hinter seiner Stirn vorkamen. Der Padrone gestorben, unbeirrt in seinem Glauben an die Prophezeiung. Die Entdeckung, dass Geld sich nicht vermehrte und er in Wahrheit nicht Retter, sondern größter Blutsauger der Menschheit war. Lorenzos zweiter Artikel… Konnte es wahr sein, was sein Cousin da geschrieben hatte? Konnte ein sechzehnjähriger Junge etwas entdeckt haben, das Wirtschaftswissenschaftlern, Nobelpreisträgern gar, entgangen war? Es erschien ihm so unwahrscheinlich. Obwohl, es hatte ihm eingeleuchtet, hatte logisch und plausibel geklungen… Er würde jemanden fragen müssen, wenn er zurück in London war. Einen Volkswirtschaftler. Paul Siegel vielleicht. Der konnte es wissen.
Er sah auf die Uhr. Wo blieb sie denn? Nun, da er sich schon einmal bewegt hatte, konnte er gerade so gut aufstehen und ans Fenster treten. Die Straße entlang glommen bunte Leuchtreklamen, und von der Hälfte der Schriftzüge wusste er, dass es Firmen waren, die Fontanelli Enterprises ganz oder zum Teil gehörten. Selbst dieses Hotel gehörte zu einer Kette, an der er dreißig Prozent besaß. Ein Teil dessen, was er für dieses biedere Zimmer bezahlt hatte, würde über viele Etappen zu ihm zurückfließen. Dasselbe galt für das schwarze Kleid, das er Ursula gekauft hatte. Es lief darauf hinaus, dass ihm eines Tages alles gehörte, und dann würde er überhaupt kein Geld mehr ausgeben können.
Da sah er sie kommen, Ursula, zwischen den parkenden Autos und bummelnden Passanten, zielstrebig auf das Hotel zuhaltend und sich dabei wachsam nach allen Richtungen umsehend. Er ließ den muffigen Vorhang zurückgleiten. Er verstand immer noch nicht, was mit ihnen geschehen war, aber musste er das verstehen? Er wusste nur, dass er sich in ihrer Gegenwart glücklich fühlte und dass alles andere nebensächlich wurde, sobald sie ihn ansah.
Vielleicht sollte er es so machen, wie sie es vorgeschlagen hatte. Das Geld einfach ausgeben, für kleine, sinnvolle Projekte. Kühlwagen für die Philippinen, solche Dinge. Akupunkturbehandlung des Planeten. Damit würde er den Rest seines Lebens zubringen können und es würde ein verdammt gutes, befriedigendes Leben sein. Schluss mit dem ganzen dummen Luxus, der Protzerei, der Wichtigtuerei. Egal, ob Jakob Fugger nun sein Urahn war oder nicht – er würde dort weitermachen, wo Fugger mit dem Bau seiner Siedlung aufgehört hatte. Er würde Menschen helfen, und sollte die Zukunft sich doch um sich selbst kümmern.
Die Tür ging, Ursula kam hereingewirbelt. »Alles klar«, verkündete sie, »meine Eltern erwarten uns morgen Nachmittag.«
Er sah sie an und war glücklich. »Und am Wochenende fliegen wir nach New York«, schlug er vor. »Dann lernst du meine Eltern kennen!«
Etwas in ihrem Gesicht passte nicht zu diesem Plan. »Wart erst mal ab«, meinte sie zögernd. »Wart erst mal, bis du… meine ganze Familie kennst.«
McCaine fand das, was die Leibwächter ihm am hellen Morgen zu berichten hatten, alles andere als amüsant. »Mit anderen Worten, Sie wissen nicht, wo er den gestrigen Tag verbracht hat«, knurrte er.
»Wir haben herausgefunden, dass das Mädchen ihre Eltern in Leipzig angerufen hat«, drang die Stimme Marco Benettis aus dem Hörer. »Die erwarten sie und Mister Fontanelli heute Nachmittag zum Kaffee.«
»Und Sie erwarten die beiden am Bahnhof, will ich hoffen.«
»Selbstverständlich. Chris spricht gerade mit dem Piloten des Jets, der uns nach Leipzig bringt.«
»Beten Sie zu Gott, dass die Sie nicht reingelegt haben.« Er knallte den Hörer zurück auf den Apparat und griff nach der Fernbedienung des Fernsehers, als neben der
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