Eine Billion Dollar
Mal erwachten, war es kurz nach halb zwölf Uhr mittags. »Wir sollten wirklich allmählich in Betracht ziehen, mal wieder aufzustehen«, murmelte John schläfrig, wälzte sich zu Ursula hinüber und küsste sie hingebungsvoll.
Sie entwand sich ihm irgendwann und keuchte: » Gott , so bin ich ja noch nie geküsst worden. Einen Moment lang hätte ich schwören können, der Boden bebt unter mir.«
John lächelte geschmeichelt. »Das muss der Nachholbedarf sein, der mich –« Er unterbrach sich. »Oh, shit, ich glaube, es bebt tatsächlich!«
Gemeinsam verfolgten sie ungläubig, wie eine Tasse, die dicht am Tischrand gestanden hatte, herabfiel und auf dem ausgetretenen Steinboden zerschellte.
Auf das nächtliche Beben in Umbrien waren am darauf folgenden Vormittag um 11:41 Uhr und 11:45 Uhr zwei neue, schwere Erdstöße gefolgt, die unter anderem die Bergdörfer Cesi, Collecurti und Serraville von der Landkarte tilgten. Das erfuhren sie auf der Rückfahrt zum Landsitz der Vacchis von den beiden Leibwächtern, die die 12-Uhr-Nachrichten im Radio verfolgt hatten. Von ihnen erfuhren sie auch, dass der Padrone in der Nacht gestorben war, friedlich und im Schlaf.
Im Haus mischten sich Trauer und Erleichterung. Cristoforo Vacchi sei ein alter Mann gewesen, der nach einem erfüllten, reichen Leben in Frieden habe scheiden dürfen, versicherten ihnen die Besucher aus dem Dorf, die gekommen waren, dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Giovanna kochte und verköstigte jeden, der kam. Gregorio Vacchi organisierte die Einzelheiten der Beisetzung, die für den Mittwoch der kommenden Woche angesetzt war, während sein älterer Bruder Alberto geistesabwesend im Garten stand und sich fortwährend den Bart zwirbelte. Er sei nun der älteste Vacchi, erklärte er mit großen Augen, wenn man ihn ansprach. Bald werde man Padrone zu ihm sagen.
Es erschien ihnen unpassend, in dieser Situation und Umgebung ihre Frischverliebtheit allzu offen zu zeigen. Abends ging jeder auf sein Zimmer, und sobald alles still im Haus geworden war, hörten die schweigend im Dunkel sitzenden Leibwächter eine Tür gehen und leise, schnelle Schritte nackter Füße den Flur entlanghuschen. Sobald die andere Tür geschlossen war, nahmen sie diskret und geräuschlos neue Positionen ein, weit genug entfernt, um nicht zu hören, was in dem betreffenden Zimmer vor sich ging, aber nah genug, um bei einem Schrei sofort zur Stelle sein zu können.
»Was machen wir denn mit uns?«, fragte Ursula in einer dieser Nächte. »Wenn das alles hier vorbei ist, meine ich.«
»Ich nehm dich mit auf mein Schloss«, murmelte John schläfrig »hülle dich in Samt und Seide, überschütte dich mit Juwelen, und dann heiraten wir und setzen massenhaft Kinder in die Welt.«
»Klasse. So habe ich mir mein Leben immer vorgestellt.« Es klang sarkastisch genug, um John wach werden zu lassen.
»Wieso fragst du? Ich meine, wir bleiben auf jeden Fall zusammen, das ist doch klar.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob das funktionieren wird.«
Er setzte sich auf. »Hey. Sag jetzt nicht, dass ich für dich bloß ein Abenteuer bin.«
»Bin ich denn etwas anderes für dich?«
»Ob du…? Wie bitte?« Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Du bist die Frau meines Lebens. Ich dachte eigentlich, das steht mir auf die Stirn geschrieben.«
»Bei Giovanna habe ich eine dieser Zeitschriften gesehen. Du warst auf dem Titelbild, Arm in Arm mit Patricia deBeers. Urlaub auf den Philippinen. Hast du ihr auch so was erzählt?«
»Nein, halt. Oh, verdammt. So war das nicht. Ich –«
»Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Es ist schon in Ordnung. Du bist ein reicher und berühmter Mann, die Frauenherzen fliegen dir zu…«
»Mir? Von wegen. Meinem Geldbeutel vielleicht.«
»Ich beschwere mich doch gar nicht. Es ist ja ein schönes Abenteuer. Aber du brauchst mir nichts vorzumachen. Das wollte ich dir nur damit sagen.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich mache dir nichts vor. Ich hatte nichts mit Patricia deBeers, ehrlich. Und ich… Ich liebe dich. Lass uns heiraten. Bitte.«
»Das muss ich mir erst überlegen«, erwiderte sie und drehte sich zur Seite, ihr Kissen unter sich begrabend. »Außerdem macht man einen Heiratsantrag nicht so. Den macht man bei einem schönen Essen und mit einer Rose in der Hand.«
Am Montag ging es nach Florenz, einkaufen, denn keiner von ihnen hatte etwas Passendes anzuziehen für das Begräbnis. Da John nicht einmal Geld bei sich hatte, marschierte er als
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