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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Wolkendecke.
    Und immer noch Stau, selbst hier draußen, nachdem er London glücklich hinter sich wusste. Er würgte das Lenkrad seines Jaguars, während es Wagen um Wagen voranging, wie bei einer chinesischen Tropfenfolter. Ah, da vorne hatten sie gemeint, eine Baustelle errichten zu müssen, eine ziemlich lange noch dazu, und das am Freitagnachmittag im Berufsverkehr. Alles Idioten , dachte er voller Ingrimm.
    Vor der Baustelle verengte sich die Fahrbahn von zweien auf eine Spur. McCaine beobachtete den Takt, in dem die Fahrzeuge sich reißverschlussartig auf die eine Spur einfädelten, ließ einen klapprigen VW mit einem verhutzelten alten Mütterchen am Steuer vor und wollte ihr gerade folgen, da kam von links hinten ein dreckigbrauner Wagen angeprescht und drängte sich rücksichtslos vor McCaine in die Spur. Als er ungehalten hinübersah, sah er einen blonden, breitschultrigen Affenmenschen am Steuer sitzen, der ihn aus himmelblauen Augen blöde triumphierend anglotzte und sichtlich geradezu animalische Freude daran zu haben schien, einen Jaguar überholt zu haben. Neben ihm hockte ein nuttenhaft aufgetakeltes Weibchen und grinste hirnlos.
    McCaine starrte den beiden fassungslos hinterher. Und während es langsam an der – im Übrigen von ganzen zwei müden, lustlosen Bauarbeitern bevölkerten – Baustelle vorbeiging, sah die Frau mehrmals zu ihm zurück, schadenfroh lachend und offenbar begeistert von der Heldentat ihres Begleiters. Sie redeten über ihn. Spotteten. Fühlten sich wie die Größten. McCaine spürte Brechreiz bei dem Anblick. Aber der Kerl hatte Muskeln statt Hirn, zweifellos war es nicht ratsam, ihn zu rammen, aus dem Wagen zu zerren und zu versuchen, ihn zu erwürgen oder dergleichen.
    Endlose Minuten kroch er hinter den beiden her und kaute an der Frage herum, warum zum Teufel er sich eigentlich abrackerte, die Menschheit zu retten. Die Menschheit? Waren das nicht in der Mehrzahl solche Bimbos wie die dort vorne? Dummes, geistloses Vieh, und darauf verschwendete er seine Zeit? Die Evolution – oder der blinde Zufall – mochte ein paar Menschen hervorgebracht haben, die der Mühe wert gewesen wären, aber das meiste war doch offenbar Ausschuss.
    Vielleicht, dachte McCaine düster, ist es nicht nur unvermeidlich, sondern sogar höchste Zeit, dass die Menschheit ausstirbt.

37
    Eine halbe Stunde vor Leipzig hielt der Zug in dem kleinen Ort Naumburg an der Saale, und einem spontanen Impuls folgend stiegen John und Ursula bereits hier aus und benutzten für den Rest der Strecke ein Taxi.
    Der Taxifahrer freute sich über die unerwartet lukrative Fernfahrt, und als Ursula mit ihm besprach, wo er sie absetzen sollte, meinte John nur: »Hauptsache, nicht am Bahnhof.« Er war das Gefühl nicht losgeworden, dass Marco und die anderen dort schon auf sie warten könnten.
    Sie stiegen in der Stadtmitte aus, an einem großen Platz mit einem großen Springbrunnen und beeindruckenden Fassaden ringsum. John bezahlte den Taxifahrer, der sich in holprigem Englisch bedankte und freundlich winkend davonfuhr, dann gesellte er sich zu Ursula, die abwartend dastand, ihre Tasche zu ihren Füßen und die Hände tief in den Taschen ihrer Jacke vergraben. Sie war immer schweigsamer und verschlossener geworden, je näher sie Leipzig gekommen waren, und jetzt wirkte sie so angespannt, als erwarte sie etwas Schreckliches.
    »Und?«, fragte er.
    »Wir sind da«, sagte sie und warf einen Blick umher, als müsse sie sich vergewissern, dass alles noch so war, wie sie es in Erinnerung hatte. »Augustusplatz. Früher hieß er Karl-Marx-Platz. Hier hat alles angefangen.« Sie deutete auf das imposante Gebäude hinter dem Springbrunnen. »Das ist die Oper. Gegenüber ist das Gewandhaus, ein Konzertsaal.« Dahinter erhob sich ein Hochhaus, das aussah wie ein riesiges, halb aufgeklapptes Buch. »Das gehört zur Universität, genau wie der Bau hier vorne…«
    »Angefangen?«, hakte er ein. »Was hat hier angefangen?«
    Sie sah ihn an. »Die Demonstrationen. Vor acht Jahren war das hier noch DDR. Warschauer Pakt. Wir haben hinter dem Eisernen Vorhang gelebt, und ihr Amerikaner wart unsere Feinde.«
    »Ah ja, richtig«, nickte John. Vor acht Jahren? Da war seine Beziehung mit Sarah gerade auf ihr ebenso schmerzhaftes wie unausweichliches Ende zugeschlingert. »Ich erinnere mich dunkel. Damals ist die Berliner Mauer gefallen, oder?«
    Ursula lächelte freudlos. »Sie ist nicht gefallen. Wir haben sie eingerissen.« Sie blickte an

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