Eine Billion Dollar
Leben?«
Der Professor schlug den dicken Ordner auf, ließ ihn schwer vor McCaine auf den Tisch fallen und blätterte ihm die Diagramme darin vor. »Hier zum Beispiel. Die möglichen Entwicklungen aller Volkswirtschaften. Wie Sie leicht sehen, haben Sie hier großen Einfluss. Sie können sich fast jedes Land dieser Welt aussuchen und entscheiden, ob Sie seine Wirtschaft zu äußerster Blüte bringen oder aber vollständig ruinieren wollen. Die Nummern der jeweiligen Daten-Sets stehen in den Diagrammen, die zugehörigen Strategien im Anhang. Ein Handbuch zur Weltherrschaft.«
McCaine wendete die Seiten mit spitzen Fingern um. »Es will mir nicht einleuchten, dass derartiger Einfluss nutzlos sein soll.«
»Weil Sie zwei Dinge verwechseln – Geld und die Wirklichkeit. Alles, was Sie kontrollieren können, ist Geld. Geld ist aber nur eine Fiktion, eine Vereinbarung der Menschen. Wenn Sie das Geld kontrollieren, können Sie die Wirtschaft kontrollieren – aber nur, solange sich alle an die stillschweigenden Vereinbarungen halten. Und auf alles, was nicht Teil des Wirtschaftsprozesses ist, haben Sie so gut wie keinen Einfluss. Zum Beispiel auf die Fortpflanzung.« Collins trat an eines der Schaubilder, klopfte mit dem Handrücken dagegen. »Das ist die Hochrechnung der möglichen Bevölkerungsentwicklungen. Ein bestürzend schmaler Kanal, finden Sie nicht? Noch vor dem Jahr 2000 wird der sechsmilliardste Mensch das Licht der Welt erblicken, das ist unausweichlich. Und diese Zahl wird sich noch einmal verdoppeln, auch daran lässt sich nur marginal etwas ändern.«
McCaine hatte die geballte Faust vor dem Mund, blickte die Kurven düster an und schüttelte nur unwillig den Kopf.
»Und das ist nur die halbe Wahrheit«, fuhr der Wissenschaftler fort. »Denn wenn man sich die Strategien anschaut, die in diesem Diagramm dämpfend auf die Zunahme der Bevölkerung wirken, stellt man fest, dass sie zum Beispiel Versteppung, Wüstenwachstum und Versalzung von Böden fördern.« Er wies auf ein anderes, kleineres Schaubild. »Hier, die Entwicklung des Ackerlandes. Im Jahr 1980 standen pro Erdbewohner 0,31 Hektar fruchtbaren Landes zur Verfügung, im Jahr 2000 werden es nur noch 0,16 Hektar sein. Und die fruchtbaren Böden schwinden, sowohl was ihre Ausdehnung, als auch was ihre Qualität und Ertragskraft anbelangt. Erosion, durch die unvermeidbare Kultivierung noch verstärkt: Versalzung, wo Bewässerung unabdingbar ist, und schließlich Vergiftung fordern ihren Tribut. In fünfundzwanzig Jahren werden vermutlich weniger als 800 Quadratmeter pro Kopf reichen müssen – nur ein besserer Garten also. Wie soll das gehen?« Er ließ die Hand kraftlos herabfallen. »Es wird nicht gehen.«
Eine Weile verharrten sie wie eingefroren, ihren Gedanken nachhängend. Dann lehnte sich McCaine bedächtig in seinem Sessel zurück, der dabei ein durchdringendes knarrendes Geräusch von sich gab.
»Ich kann es trotzdem noch nicht glauben«, sagte er. »Was ist zum Beispiel mit Rohstoffen? Fontanelli Enterprises hat de facto Monopole für zahlreiche Metalle von technisch entscheidender Bedeutung. Wir könnten die Förderung einstellen, wenn wir wollen. Oder Energie? Wir kontrollieren zwar nicht den gesamten Ölmarkt, aber wir können den Preis nahezu beliebig in die Höhe treiben. Das muss doch Effekte haben in Ihren Simulationen.«
Collins hockte sich wieder auf die Kante seines Schreibtischs. »Hat es auch. Aber wenn Sie Druck ausüben auf ein komplexes System, entstehen darin Ausweichstrategien – ganz automatisch, da Sie damit zugleich die Attraktivität alternativer Optionen erhöhen. Nehmen Sie nur die Energie. In dem Maß, in dem der Ölpreis steigt, werden andere Energiesysteme attraktiver, Solarenergie zum Beispiel.«
»Dagegen hätte ich ja nichts.«
»Aber Sie verlieren damit Ihr Druckmittel. Mit Rohstoffen ist es das Gleiche. Dafür gibt es sogar historische Präzedenzfälle. In den Weltkriegen haben die Krieg führenden Parteien versucht, einander durch Boykotte und Seeblockaden von der Versorgung mit Rohstoffen abzuschneiden, die für kriegswichtig gehalten wurden – mit dem Ergebnis, dass Ersatzstoffe erfunden wurden, teilweise mit erheblichen Verbesserungen.«
McCaine legte mit steinernem Gesicht die Hände auf die Sessellehnen. »Ist das also Ihr Ergebnis? Dass alles verloren ist, nur eine Frage der Zeit?«
»Das habe ich nicht gesagt. Mein Ergebnis ist, dass Ihre Möglichkeiten der Einflussnahme auf das System
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