Eine Billion Dollar
so sein, dass kein Plan das bewirken können sollte? Er war sich so sicher gewesen, immer. Eine glühende Zuversicht, die ihn getragen hatte in Nächten, in denen er keine Kohle gehabt hatte, um sein Zimmer zu heizen, und in Pullovern und Mänteln am Tisch gesessen hatte, den Kugelschreiber in den behandschuhten Händen, schreibend, lesend, lernend. Eine Zuversicht, so klar wie die, dass jeden Morgen die Sonne aufgeht, die ihn getragen hatte in Momenten der Verzweiflung, in den ersten Tagen seiner Selbstständigkeit, als Aktien fielen, in die er investiert hatte, Investoren ihr Geld zurückforderten… Immer war er sich sicher gewesen, nein, hatte er gewusst, dass es gut ausgehen würde. Denn die Vorsehung hatte ihm diesen Weg bestimmt, hatte ihn ausgewählt unter allen Menschen, eine ganz besondere Aufgabe zu erfüllen.
War das nicht mehr so? War es am Ende nie so gewesen?
Aber diese ganzen glücklichen Zufälle! So viele Fügungen, die ihm den Weg geebnet hatten, Ereignisse, die ihm geholfen hatten, die herbeizuführen aber nicht entfernt in seiner Macht gestanden hätte. War das alles…? Nein, das konnte keine Selbsttäuschung gewesen sein. Alle Statistik, alle Wahrscheinlichkeit sprach dagegen. Unmöglich. Er war geleitet und geführt worden, die ganze Zeit, all die Jahre, sein Leben lang.
Es reicht nicht für alle , hatte Professor Collins zum Schluss gesagt. Seine Augen hatten gebrannt, seine Lunge, sein Herz. Kein Fehler in den Strategien, kein Fehler im Modell selbst, nichts, das eine Hoffnung geboten hätte. Es reicht nicht für alle. Die Erde, nicht groß genug, um allen Menschen eine Zukunft bieten zu können, ein lebenswertes Leben in Würde, Sicherheit und Gesundheit. Nicht reich genug. Die Zahlen bewiesen es. Die Diagramme waren eindeutig. Nüchterne, gnadenlose Berechnungen ließen keinen Zweifel. Konnte es sein, dass Gott das wollte? Hatte er es sich anders überlegt seit den Tagen der Prophezeiung? Hatte er beschlossen, die Menschheit doch auszulöschen?
McCaine knöpfte sich das Hemd auf, zerrte es aus der Hose, zerrte es sich vom Arm, schleuderte es davon. Sein Blick fiel auf den Nachttisch neben dem Bett. Eine Schublade. Er stürzte hin, zog sie auf. Ein Buch darin, die Bibel. Noah, wie war das mit Noah gewesen? Er blätterte das Buch auf, aber es war nur die Gideonsbibel, das Neue Testament in drei Sprachen, aber er hätte das Alte Testament gebraucht. Noah. »Der Herr sprach, ich will die Menschen vertilgen von der Erde, vom Menschen bis hin zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel, denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe.« Lange her, dass er das in der Schule gelernt hatte. Er erinnerte sich nur noch dunkel.
»Bin ich der zweite Noah?«, fragte er in die Dunkelheit hinein, lauschte dem Klang seiner eigenen Stimme nach. Lauschte auf ein Zeichen, aber es kam keines.
Er blieb auf dem Bett sitzen, sah dem prasselnden Wasser an der Scheibe zu und der Straßenlaterne, die verschwommen dahinter sichtbar war und auch, dass sie schwankte unter dem Sturm. Noah hatte die Arche gebaut, ein gewaltiges Schiff, in das er von jeder Tierart ein Paar und von jeder Pflanze eine Probe eingeladen hatte. Eine Legende, natürlich, aber heutzutage wäre es machbar. Ein Bunker, in einem abgeschiedenen Landstrich errichtet, getarnt und gesichert, darin das Wissen der Welt in Datenbanken, auf CD-ROMs oder Mikrofilm gesichert, dazu Genproben aller bekannten Spezies… Teuer, ja, aber machbar. Ohne Zweifel würden die Mittel von Fontanelli Enterprises für ein solches Vorhaben reichen.
Er spürte die Kälte in seinen Körper kriechen, aber er saß da und starrte, reglos, nur noch atmend, während sein Herz gefror. War das in Wahrheit die Aufgabe, die ihm bestimmt war? Dafür zu sorgen, dass das Wissen der Menschheit die dunklen Jahre oder Jahrhunderte überstand, sodass eines Tages ein neuer Anfang möglich sein würde? Es kam ihm so elend vor. So feige. Auf den Zusammenbruch warten zu müssen…
Die Computer des Professors würden ihn rechtzeitig warnen. Es blieben noch ein paar Jahre, Jahrzehnte wahrscheinlich. Er konnte sich überlegen, wer gerettet werden sollte, konnte Vorkehrungen für ein Überleben im Bunker treffen – und dann? Später? Wohin würden die letzten Menschen zurückkehren? In eine verseuchte, ausgemergelte Welt? In radioaktive Wüsten? In Ruinen?
Nein. Das war erbärmlich. Das hatte nichts von jener Großartigkeit, die er immer gespürt hatte in dem, was
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