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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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verurteilt worden«, erzählte Ursula auf dem Weg zum Flughafen. »Was vermutlich Glück war für meinen Vater, auf diese Weise ist er ziemlich unbelastet aufgewachsen. Er war ein Nachzügler, er hatte zwei ältere Brüder, die in den letzten Kriegstagen im Volkssturm umgekommen sind.«
    »Ich verstehe nicht, dass ihr euch überhaupt noch mit ihm abgebt.«
    »Ich auch nicht. Irgendwie kommt mein Vater nicht von ihm los. Ich denke manchmal, er will ihm etwas beweisen. Vielleicht, dass Liebe den Hass besiegt oder so, keine Ahnung. Ich fand es immer nur grässlich, wenn wir ihn besuchen mussten, in irgendwelchen Gefängnissen oder Krankenhäusern, und er uns mit seinen Sprüchen traktiert hat.«
    John spähte aus dem Fenster. Ein Flughafenangestellter schob das Gittertor beiseite und gewährte ihnen freundlich lächelnd die Durchfahrt aufs Rollfeld, wo der Jet schon bereitstand, der sie nach London bringen würde. »Von mir aus brauchst du ihn nie wieder zu besuchen«, sagte er.
     
    McCaine hatte zwei Stunden telefonischer Unerreichbarkeit verhängt. Er saß vor dem Panorama der frisch gewaschen in der Oktobersonne glänzenden Londoner Innenstadt, die Lehne des Sessels zurückgestellt, die Beine hochgelegt, eine Aktenmappe mit einer Reihe höchst brisanter Zahlen auf dem Schoß, den Blick in vage Unendlichkeit gerichtet, und dachte darüber nach, wie die Menschheit sterben würde. Oder zumindest deren unnützer Teil.
    Hunger bot sich natürlich an. Hunger, das war ein stiller, unauffälliger Tod. Jedes Jahr starben Millionen Menschen hungers, und das schon seit Jahrzehnten, ohne dass es merklich auf die öffentliche Meinung Einfluss gehabt hätte. Verhungernde Menschen waren auch zu schwach, um Kriege anzetteln zu können; ebenfalls ein Argument, das für Hunger als Waffe sprach.
    Ein Minuspunkt war, dass Hunger, betrachtete man die Zahlen, tatsächlich nicht durch Mangel an Nahrung, sondern durch Mängel in der Verteilung verursacht wurde. Menschen verhungerten nicht, weil es nichts zu essen gab, sondern weil sie nicht genug Geld hatten, um sich etwas zu kaufen. Es würde beträchtliche Aufmerksamkeit erfordern, die internationale Logistik auszubauen und die weltweiten Handelsbeziehungen umzugestalten, ohne daran etwas zu ändern. Es würde doppelt schwierig werden, das alles zu tun, ohne Verdacht zu erregen.
    Ein beträchtlicher Minuspunkt. Fast schon ein Ausschlusskriterium.
    McCaine betrachtete das Diagramm der Bevölkerungsentwicklung der letzten zweitausend Jahre. Die einzige Delle in dieser ansonsten ständig aufwärts strebenden Kurve war durch eine Seuche verursacht worden, die Pestepidemie in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, die ein Drittel der europäischen Bevölkerung dahingerafft hatte. Nichts sonst hatte Spuren hinterlassen, nicht einmal der Zweite Weltkrieg.
    Seuchen. Pest kam natürlich nicht mehr infrage, dazu war es zu gut heilbar geworden. Aber AIDS sah gut aus, oder? AIDS wurde durch einen Virus hervorgerufen, nicht durch ein Bakterium, und gegen Viren gab es immer noch so gut wie nichts im Waffenarsenal der Medizin. AIDS brachte das Kunststück fertig, so gut wie nicht ansteckend zu sein und sich, aufgrund seines Übertragungsweges über Geschlechtsverkehr, trotzdem unaufhaltsam zu verbreiten. Und von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit verging genug Zeit, um wiederum andere anstecken zu können.
    Er blätterte die dünne epidemologische Studie durch, die von einem anerkannten schwedischen Institut stammte. Was da stand, las sich für ihn so: AIDS traf in der Hauptsache diejenigen, die nicht intelligent genug waren, um sich wirksam zu schützen, oder zu triebgesteuert, um es zu tun. Mit anderen Worten, AIDS würde eine positive Auslese bewirken, oder? Dieser Gedanke faszinierte ihn. Er verlieh dem Ganzen dieses Odium von waltender Vorsehung, von Gottgewolltheit, von dem er sich gern leiten ließ.
    AIDS sah wirklich gut aus. AIDS war eine Seuche, wie man sie besser kaum hätte erfinden können. Die einzige Frage war: Würde es schnell genug gehen?
    Diesbezüglich sahen die Statistiken noch entmutigend aus. Die Ansteckungsraten waren gering, verglichen mit der Geburtenrate, und vielerorts gingen sie sogar zurück. Natürlich standen sie erst am Anfang der Entwicklung, aber für einen weiteren Knick in der Bevölkerungskurve reichte es noch lange nicht.
    Vielleicht war hier der Punkt, wo es hieß, einzugreifen. Man konnte die entsprechenden Pharmafirmen unter Kontrolle bekommen, die

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